Dreikönigstreffen der FDP in Stuttgart Klimaaktivisten spielen Lindner in die Hände
Die Klimaprotestler beim Dreikönigstreffen liefern dem FDP-Chef eine Steilvorlage. Er hat beim Dreikönigstreffen ganz andere Probleme.
Die Klimaprotestler beim Dreikönigstreffen liefern dem FDP-Chef eine Steilvorlage. Er hat beim Dreikönigstreffen ganz andere Probleme.
Eines haben die Klimaprotestierer erreicht: Sie haben eine Situation hergestellt, die wie für Christian Lindner geschaffen ist. Eine, in der der FDP-Vorsitzende seine Schlagfertigkeit voll ausspielen kann. „Besser nicht regieren als falsch. Darum Tempolimit sofort“, steht auf dem Transparent, das sie von den oberen Rängen im Stuttgarter Opernhaus entrollen. „We shall overcome“ singen sie – in schrägen Tönen. Der FDP-Chef heißt die Gruppe gelassen willkommen und sagt ihnen, in die Hitparade kämen sie mit ihrem Auftritt nicht.
Als die Störer unablässig weiter singen und lärmen, sagt Lindner: „Also, um ehrlich zu sein: Ich würde es vorziehen, wenn ihr euch festklebt.“ Er sagt: „Klebt euch fest, nehmt viel Kleber, denn wenn ihr hier klebt, könnt ihr niemanden sonst behindern.“ Großes Gelächter im Publikum. Dann gibt Lindner, seit zehn Jahren FDP-Vorsitzender, den Protestierenden noch einen „guten Tipp“, wie er es nennt, mit auf den Weg: „Wie wäre es, ihr gründet eine Partei und sucht euch demokratische Mehrheiten für eure Position?“
Lindner hat eine schwierige Aufgabe beim traditionellen Dreikönigstreffen seiner Partei in Stuttgart. Die Störer haben sie ihm, ohne es zu wollen, etwas leichter gemacht. Lindner muss die Seele seiner Partei streicheln, die seit einem Jahr in der Ampelkoalition im Bund mitregiert. Viele in der Partei leiden darunter, öffentlich für Projekte von SPD und Grünen in Haftung genommen zu werden. Die Ergebnisse der Landtagswahlen im vergangenen Jahr waren enttäuschend. Das alles nervt.
Am Tag vor seinem 44. Geburtstag greift der Bundesfinanzminister also auf eine Redepassage aus seiner ersten Dreikönigsrede vor 13 Jahren, damals noch als Generalsekretär, zurück. Er habe damals über die Begegnung mit einer geflüchteten alleinerziehenden Mutter gesprochen. Sie habe, um nicht allein von Sozialleistungen zu leben und dem Kind Musikunterricht finanzieren zu können, Geld dazu verdienen wollen. Und sie sei empört gewesen, dass man ihr quasi alles wieder abziehen wolle. Damit habe die FDP beim Bürgergeld nun Schluss gemacht.
Der Parteivorsitzende versucht, mit Fröhlichkeit folgende Botschaft auszustrahlen: Es lohnt sich, in der Regierung auch Kompromisse zu schließen, weil man gestalten kann. Es ist die Botschaft eines Erwachsengewordenen: Der Mann, der die Jamaika-Verhandlungen im Jahr 2017 abbrach, hat sich zu der für seine Partei schwierigen Ampelkoalition bereitgefunden. Und er nimmt die Herausforderung voll an. Oder, wie FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai es in seiner Rede dem nicht ganz gefüllten Saal zuruft: „Regieren ist nichts für Feiglinge.“
Lindner wiederum macht klar, dass die FDP auch in der koalitionsinternen Debatte nicht feige sein will. 2023 brauche es eine Zäsur in der Wirtschafts- und Finanzpolitik, sagt er. Der Minister wirbt für perspektivische Steuersenkungen. Es gehe um neues Wachstum für Deutschland.
Die Kernbotschaft des FDP-Chefs: „Wenn die Koalition aus SPD, Grünen und FDP eine Wiederwahlchance haben will, wird das nur gelingen, wenn sie das Land auf die wirtschaftliche Erfolgsspur zurückführt.“ Grüne und SPD wüssten es noch nicht. Aber sie hätten ein Eigeninteresse daran, dass die FDP in der Steuerpolitik das Denken nicht eingestellt habe.
Und ein echtes Versprechen hat Lindner noch mitgebracht – für Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger, die zu seinen Vorrednern gehört. Das Land müsse mehr tun für Bildung und Forschung, sagt Lindner, dessen Partei in den Koalitionsverhandlungen sehr bewusst das Bildungsministerium gezogen hat. „Damit das wirklich einen Unterschied macht, brauchen wir in den nächsten Jahren in jedem Jahr eine zusätzliche Bildungsmilliarde.“ Diese Worte erreichen auch schnell das Deutsche Studierendenwerk in Berlin. Man wolle den Minister beim Wort nehmen und fordere eine Bafög-Reform, heißt es von dort.
Das ginge gut mit einem Motto zusammen, das Lindner – in Anspielung auf die Protestierenden, die seine Rede gestört haben – ausführt. „Festkleben war gestern, anpacken ist jetzt das Gebot der Stunde.“