Yasemin Bozkurt könnte Türkisch als dritte Fremdsprache an Gymnasien unterrichten – wenn sie denn eine Schule fände, die sie lässt.

Stuttgart - Yasemin Bozkurt hat eine Mission. Die freundliche junge Frau aus Winterlingen im Zollernalbkreis macht sich für ihre Sprache stark. Die angehende Lehrerin möchte, „dass Türkisch der gleiche Wert beigemessen wird wie anderen Sprachen“. Yasemin Bozkurt kennt sich aus mit Sprachen, sie hat Englisch, Deutsch und Französisch auf Lehramt studiert. Dazu Türkisch. Derzeit büffelt sie parallel zu ihrem Referendariat im Oberschwäbischen in Tübingen noch für die Erweiterungsprüfung in Französisch. Das erste Staatsexamen für Deutsch, Englisch und Türkisch hat sie schon in der Tasche. Das macht Yasemin Bozkurt zu einer Pionierin. Sie hat in diesem Semester an der Universität Tübingen als erste und bisher einzige Studentin im Land das Staatsexamen im Beifach Türkisch abgelegt. Vor drei Jahren hatte sie sich mit 15 Kommilitonen eingeschrieben, sobald das Fach angeboten wurde. Im aktuellen Wintersemester sind in Tübingen der Uni zufolge 37 Studenten in dem einzigen Studiengang dieser Art in Baden-Württemberg immatrikuliert.

 

Zu gerne würde die junge Frau auch Türkisch unterrichten. Doch die Gymnasien in Baden-Württemberg sind zurückhaltend. Schon 2013 hatte die SPD-Fraktion im Landtag sich für Türkisch als reguläre dritte Fremdsprache an Gymnasien eingesetzt. Der Kultusminister Andreas Stoch (SPD) hat den Modellversuch genehmigt. Drei Schulen könnten schon im kommenden Schuljahr mit dem Angebot starten, aber es habe sich bisher noch kein Gymnasium beworben, teilt eine Sprecherin Stochs mit. Anfangs hatten sich Stuttgart und Mannheim interessiert gezeigt, inzwischen heißt es aber aus Stuttgart, der Anteil türkischstämmiger Gymnasiasten sei nach wie vor sehr gering. Andere Schüler hätten an Türkisch kein Interesse. Damit lohnt sich das Angebot nicht. Keine Schule wolle außerdem etwa Italienisch oder Spanisch zu Gunsten des Türkischen aus dem Repertoire nehmen.

Bozkurt ist überzeugt: „Sprache verbindet“

Yasemin Bozkurt bedauert das. Türkisch als Fremdsprache könnte ein Beitrag sein zu gegenseitiger Integration, führt die Referendarin sachlich und gelassen aus. „Auch deutsche Schüler könnten versuchen die Kultur kennenzulernen“, sagt sie. Die begeisterte Philologin kommt immer wieder zu dem Fazit: „Sprache verbindet.“ Sie möchte vermeiden, dass die Fremdsprache mit islamischem Religionsunterricht verwechselt wird. Der Sprachwissenschaftlerin geht es um Grammatik, Literatur, Landeskunde. Sie, die Türkisch als Hochsprache auch erst an der Universität gelernt hat, ist überzeugt, „wenn der Sprache und der Kultur der gleiche Wert beigemessen wird, fühlen sich türkische Kinder auch gleichermaßen beachtet“.

Sie selbst ist ein Musterbeispiel an Integration. In einem solchen Maße, dass sie sich an dem Begriff Migrationshintergrund stört. Türkische Wurzeln, das mag noch angehen. Aber Migrationshintergrund? Wo sie doch mit der Türkei nicht mehr verbindet als drei Wochen Urlaub im Jahr. Yasemin Bozkurt ist in Sigmaringen geboren, in Winterlingen aufgewachsen, die Eltern bestanden darauf, dass sie in der Grundschule nicht neben einem türkischen Kind saß, der Sprache wegen. Das Mädchen war mit auf Klassenfahrt oder im Schullandheim. „Ich war nie eingeschränkt“, betont sie. Was ihre beiden Brüder durften, das durften sie und ihre Schwester auch. Kommt man ihr jetzt mit Migrationshintergrund, dann fragt sie sich irritiert, „gehöre ich doch nicht dazu“.

Kindern ein Vorbild sein

Dass sie dazugehören, dass sie es schaffen können, dass sie wie Yasemin Bozkurt selbst einen „anständigen Beruf“ ergreifen können, der sie stolz macht, das will die Referendarin jedoch ihren Schülern vorleben – denen mit türkischen Wurzeln und den deutschstämmigen, die zu Hause auch nicht den notwendigen Rückhalt erwarten können. Sie selbst habe sich in der Schule immer gefördert gefühlt, erinnert sich die Referendarin. „Meine Lehrerin hat mich motiviert, ich habe Lehrer immer als Vorbilder empfunden.“ Auch sie selbst will ein Vorbild sein, „türkische Kinder freuen sich, wenn sie eine türkischstämmige Lehrerin haben“, und für Yasemin Bozkurt ist Lehrerin zu sein „etwas Besonderes, ich kenne das nicht von zu Hause, und ich mache es mit Leib und Seele“. Motivieren will sie und sich freuen, wenn andere begreifen, was sie erklärt hat. Ihre Augen strahlen geradezu wenn sie erzählt, dass ihre türkischen Nachhilfeschüler in Tübingen sie „Abla“ nennen, „große Schwester“, oder wenn der kleine Großcousin in der Grundschule Winterlingen beim Schulbesuch der Referendarin seinen Klassenkameraden stolz verkündet, „das ist meinen Cousine“. Was ist, wenn sie im Juli 2016 den Vorbereitungsdienst absolviert hat? „Dann hoffe ich als Deutsch-, Englisch-, Französisch- und Türkischlehrerin zu arbeiten“, lächelt die Referendarin. Es fehlt halt noch das Schulfach. Man nehme noch Bewerbungen an, versichert eine Sprecherin des Ministeriums. Für Kurzentschlossene könne es noch zum neuen Schuljahr reichen.