Beim 0:2 in Aue ist die Last der Favoritenrolle für die Stuttgarter Kickers zu groß. Trotz einer Reihe an Chancen bleiben die Gäste ohne Tor, weshalb der Sportdirektor Michael Zeyer sagt: „Uns fehlen noch ein paar Prozent.“

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Aue - Das sonntägliche Auslauftraining mit der Mannschaft war längst absolviert, als Horst Steffen noch einmal Tempo aufnahm. Mit dem ICE düste der Trainer der Stuttgarter Kickers zur Familie nach Kaarst bei Düsseldorf. Im Gepäck hatte der Coach da auch das 0:2 (0:1) vom Vortag beim FC Erzgebirge Aue. „Und Niederlagen“, erklärte der 46-Jährige, „die bringen mich nie zum Lachen.“

 

Im Erzgebirge hatte sein Team letztlich mit dem Fluch der guten Taten zu kämpfen gehabt. Schließlich weiß man auch beim krisengeschüttelten Ex-Zweitligisten Aue um den Trainer und einstigen Bundesligaprofi Pavel Dotchev (Hamburger SV, Hansa Rostock), dass bei den Kickers unter Steffen ein technisch feiner Offensivfußball gespielt wird. Als Vierter der Vorsaison treten die Stuttgarter zudem auch auswärts immer häufiger im Stile des Favoriten auf. Zumal gegen einen Gegner, dem wie Aue zuvor in der noch jungen Drittligasaison weder ein Tor noch ein Sieg gelungen war.

Aue kontert die Kickers eiskalt aus

Gegen die defensiv eingestellten Hausherren nahmen die Kickers vor 7250 Fans also die ihnen zugedachte Rolle an – und hatten auch gleich die ersten Torchancen durch Sandrino Braun (12.) und Fabio Leutenecker (28.), der am Pfosten scheiterte. Dann war Lhadji Badiane per Kopfball nahe an der Führung. „Uns fehlen zurzeit ein paar Prozent, die den Unterschied ausmachen“, sagte der Sportdirektor Michael Zeyer, der nach 36 Minuten mitansehen musste, wie seine Elf klassisch ausgekontert wurde: Aues Björn Kluft blieb vor dem Tor eiskalt – und köpfte das 1:0 (36.).

„Wichtig ist, dass unsere Spielanlage stimmt. Wir können nicht immer davon ausgehen, dass wir auswärts dominant auftreten, unser Spiel durchziehen und auch gewinnen“, sagte Horst Steffen, „manchmal entscheidet auch die Tagesform.“ Und die stimmte diesmal beim Gegner, der seine Führung in einer chancenarmen zweiten Hälfte zunächst gut verteidigte.

Rote Karte für den Torhüter Carl Klaus

Dann rückte der junge Kickers-Torhüter Carl Klaus unfreiwillig in den Mittelpunkt: Als seine Kollegen alles nach vorne warfen, steuerte plötzlich Aues von RB Leipzig verpflichteter Stürmer Tom Nattermann durch den Sechzehner. „Ich mache ihm da keine Vorwürfe – so etwas passiert eben, wenn man kurz vor Schluss mit 0:1 hinten liegt“, sagte der Manager Zeyer zu der Szene, die seinem Torwart letztlich die Rote Karte einbrachte. Denn als Klaus nach dem Ball hechtete, fiel Nattermann – und der Schiedsrichter Günter Perl entschied zu Recht auf Platzverweis und Strafstoß (84.). Den Elfmeter verwandelte Sebastian Hertner zum 2:0 für Aue. Weil die Kickers zu diesem Zeitpunkt bereits dreimal ausgewechselt hatten, musste Manuel Fischer ins Tor – und hätte fast gehalten.

„Wir hätten Minimum einen Punkt verdient gehabt“, fand Zeyer, für dessen Elf aber zumindest in diesem Spiel der Anspruch des Favoriten zu schwer auf den Schultern lastete. Mit vier Zählern aus den ersten drei Saisonspielen sind die Kickers, die mit dem Aufstieg in die zweite Liga liebäugeln, nur mäßig in die Saison gestartet. Dies hat aber mehrere Gründe: Zum einen fiel in Marc Stein, der in Aue in die Startelf zurück kehrte, lange der Abwehrchef aus. Obendrein müssen talentierte Spieler wie Michael Mendler, Erich Berko oder der eingewechselte Gratas Sirgedas komplett ins Team integriert werden. Und dann sind da noch die Offensivkräfte Daniel Engelbrecht und Elia Soriano, die als Rekonvaleszenten näher an die Startelf rücken.

Bereits am Mittwoch (18.30 Uhr) steht für die Kickers das nächste Spiel an: In der WFV-Pokalpartie beim SSV Reutlingen bietet sich ihnen die Chance, ihrer Favoritenrolle wieder gerecht zu werden.

Aue Männel – Rizzuto, Breitkreuz, Susac, Hertner – Skarlatidis, Riese, Samson, Handle (74. Könnecke) – Kluft (62. Nattermann), Adler (33. Kvesic).

Kickers Klaus – Leutenecker, Starostzik, Stein, Baumgärtel – Mendler (71. Ivan), Marchese, Braun – Gerrit Müller, Badiane (82. Sirgedas), Berko (60. Fischer).

Schiedsrichter Perl (München).

Zuschauer 7250.

Tore 1:0 Kluft (36.), 2:0 Hertner (85./Foulelfmeter).

Rote Karte Klaus (84./Notbremse).