Bald ist Bundestagswahl. Die Direktkandidaten werben um Ihre Erststimme, die Parteien um Ihre Zweitstimme. Bis zum 24. September wollen wir an dieser Stelle über kuriose wie ernste Beobachtungen und Begleiterscheinungen der politischen Schlacht um die Wählergunst schreiben – als Drittstimme sozusagen. Heute geht es um Lieder, die zum Wählen animieren sollen – eine kauzige Initiative aus München.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Stuttgart - Politik ist für viele nicht der Hit. Der Sound ödet sie an, die Texte sind zu kompliziert, und das Personal sieht überwiegend auch nicht so aus, als hätte es Chancen bei einer Castingshow. Wer so denkt, kennt Winfried Huyer-May noch nicht. Der Mann ist eine Art Animateur der Demokratie. Vor mehr als 20 Jahren hat er mit Gleichgesinnten einen Arbeitskreis Wahlbeteiligung ins Leben gerufen. Als seine älteste Tochter ins Erstwähleralter kam, wollte er sie musikalisch dazu anregen, von ihrem wichtigsten Bürgerrecht auch Gebrauch zu machen. Sie war diese Motivation nach Noten bereits gewohnt, denn Vater Winfried komponierte seinen Kindern für alle Lebenslagen aufmunternde Lieder – ob es um das Lesenlernen ging oder um den Englischunterricht. Nun wurden es eben Wahllieder.

 

Lobende Worte von Kohl und Merkel

Inzwischen hat der Hobbykomponist schon eine beachtliche Sammlung einschlägiger Songs beieinander: den Soundtrack zur Wahl. Der pensionierte Jurist trällert sein inspirierendes Liedgut nicht etwa selbst. Ihre Stimme erhebt an seiner statt die Münchener Sopranistin Gabriele Neuner. Ein Filmkomponist und ein Tonmeister, die ebenfalls in dem Arbeitskreis gegen Politikverdrossenheit mit von der Partie sind, geben den Songs den richtigen Schliff. Jedenfalls arbeiten alle ehrenamtlich und ohne Honorar. Das war bereits dem verstorbenen Altkanzler Helmut Kohl ein lobendes Wort wert: „Für Ihr großes Engagement für die Sache der Demokratie in unserem Land danke ich Ihnen sehr herzlich“, schrieb er Winfried Huyer-May. Auch Angela Merkel hat sich schon schriftlich bedankt. Der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff nannte die zur Wahl animierenden Weisen einen „Gewinn für alle“.

So wird die Wahl zum Schlager

Man kann sich das Ganze wie Rolf Zuckowski („Schau mal, hör mal, mach mal mit“) auf politisch vorstellen. Die Melodien haben das Zeug zum Ohrwurm. Da wird keine Zielgruppe ausgespart. „Opi, warst Du bei der Wahl?“ singt eine Kinderstimme. „18 Jahr“ heißt ein anderes Stück, unterlegt mit Technobeats und coolem Saxophonsound, der Jungwähler in Schwung bringen soll. Der Titelsong hat einen brandaktuellen Refrain mit radebrechendem Reim: „Remember den 24. September“. Die Polibarden hoffen jedenfalls: So könnte die Wahl zum Schlager werden.