Crystal Meth breitet sich in Deutschland aus. Die Droge macht schnell abhängig und schädigt auf Dauer die Nervenzellen im Gehirn. Zusatzstoffe, mit denen sie gestreckt wird, können dramatische Nebenwirkungen haben. Wer konsumiert diese Substanz?

Stuttgart - “Ich probierte Crystal Meth nur einmal und – peng – gleich war ich abhängig“, erzählt ein Meth-Abhängiger, der seine Familie, seine Freunde, seinen Job verloren hat und nun obdachlos ist. Crystal Meth ist eine Form der synthetischen Droge Methamphetamin. Bisher schien die chemische Substanz nur in den deutsch-tschechischen Grenzgebieten eine Rolle zu spielen. In den tschechischen Labors wird Crystal Meth illegal hergestellt und weltweit – auch nach Deutschland – verkauft. Doch spätestens seit gegen den SPD-Innenpolitiker Michael Hartmann wegen des Verdachts ermittelt wird, die Droge gekauft zu haben, ist das Thema in der Bundesregierung angekommen. Aus dem Drogen- und Suchtbericht der Regierung geht zwar hervor, dass die Droge noch nicht massenhaft bundesweit verbreitet ist. Allerdings gebe es Tendenzen, dass sich die Droge über das deutsch-tschechische Grenzgebiet hinaus verteile, so die Drogenbeauftragte Marlene Mortler. Das könnte man auch aus den Statistiken des Bundeskriminalamtes (BKA) herauslesen. 2013 wurden nach Angaben des BKA 77 Kilogramm Crystal Meth beschlagnahmt, während es im Jahr 2009 noch etwa sieben Kilogramm waren.

 

Crystal Meth, früher bekannt unter dem Namen Speed, gibt es in allen chemischen Varianten: Es kann in flüssiger Form gespritzt, in fester Form gegessen, als Pulver geschnupft oder auch geraucht werden. Heute werden meist glitzernde Kristalle geschnupft oder als Tablette geschluckt. Doch egal in welcher Form Crystal Meth konsumiert wird, die Droge macht sehr schnell süchtig. Das Methamphetamin verwandelt vermeintlich schüchterne Verlierer in vor Selbstbewusstsein strotzende Überflieger. Man wird leistungsfähiger, da Crystal Meth Müdigkeit, Hunger und Schmerzen unterdrückt. Die Droge vermittelt ein falsches Gefühl von Glück und Zuversicht. Die Konsumenten platzen vor Energie und fühlen sich dabei auch noch sehr sexy – für sechs bis acht, manchmal für 24 Stunden, je nach Potenz der Droge.

Doch der Absturz lässt nicht lange auf sich warten. Sobald der Rausch nachlässt, fällt der Betroffene in ein Loch. Neben gesundheitlichen Problemen wie rasenden Kopfschmerzen und Herz-Kreislaufproblemen lässt die Konzentrationsfähigkeit nach, das Denken wird verlangsamt. Der Körper schreit nach der nächsten Ration.

Abflussreiniger sollen die Wirkung verstärken

Crystal Meth wirkt wie alle Methamphetamine auf das empfindliche Gleichgewicht der Botenstoffe im Gehirn. Es erhöht vor allem die Ausschüttung der beiden Botenstoffe Dopamin und Noradrenalin. Dieses ist eng verwandt mit dem Stresshormon Adrenalin. Es lässt die Herzfrequenz hochschnellen, den Blutdruck steigen und die Pupillen groß werden. Kein Hunger, kein Durst, kein Schlafbedürfnis – der Körper ist auf Hochleistung eingestellt. Dopamin ist für die Belohnung und Motivation des menschlichen Handelns zuständig. Die drogenbedingte Freisetzung von Dopamin aus den körpereigenen Speichern lässt ein Gefühl der Zufriedenheit entstehen, etwa für biologisch gesehen belohnenswerte Aktionen wie Sozialverhalten und Fortpflanzungsaktivitäten – die sexuelle Aktivität unter Meth-Nutzern ist extrem hoch.

Auf Dauer schädigt die Substanz Nervenzellen im Gehirn, die schließlich absterben. Die Konsumenten leiden unter Wahnvorstellungen und können tage- und nächtelang nicht schlafen. Sie sind aggressiv, verspüren weder Hunger noch Durst. Sie können nichts mehr essen und verlieren in kurzer Zeit sehr viel Gewicht. Auch das Herz-Kreislauf-System knickt ein, Herzrasen und Panikattacken sind die Folge. Zu diesem Zeitpunkt sind die meisten Abhängigen auch sozial abgestürzt. Die Familie ist zerbrochen, Freunde gibt es nicht mehr, der Job ist verloren.

Im Internet findet man viele Vorher-Nachher-Fotos. Menschen, die einst nett und gesund aussahen, haben sich innerhalb weniger Wochen oder Monate in Zombies verwandelt. Sie haben keine Zähne mehr im Mund oder nur noch faulige Stummel. Die Haut ist aschfahl und mit eitrigen Pusteln übersät. Die Haare kleben am Kopf oder stehen struppig ab. Diese gruselige Verwandlung wird jedoch nicht durch Methamphetamin selbst verursacht. Vielmehr sind dies die Nebenwirkungen durch diverse Substanzen, mit der die Droge in den tschechischen Labors gestreckt wird. Viele der illegalen Dealer reichern Meth mit Batteriesäure, Frostschutzmittel, Abflussreiniger oder Ähnlichem an, weil diese Mittel die Wirkung intensivieren.

Es sind nicht nur die rebellischen Jugendlichen

Lange Zeit galt Crystal Meth in Deutschland als Partydroge. Dieses Bild scheint jedoch so nicht zu stimmen. Viele der Abhängigen entsprechen nicht dem aufmüpfigen, rebellierenden oder perspektivlosen Jugendlichen oder jungen Erwachsenen. Crystal Meth spricht eine andere, wesentlich größere Zielgruppe im eher bürgerlichen Umfeld an. Das hat eine von der Bundesregierung geförderte Studie ergeben. Wissenschaftler vom Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS) der Universität Hamburg haben 400 Konsumenten befragt, um herauszufinden, wer für die Droge anfällig sein könnte. Dabei hat sich gezeigt, dass „Crystal Meth nicht nur als Form des pubertären Protests oder des Austestens von Verbotenem, sondern als Mittel zur Leistungssteigerung und Erreichung bürgerlicher Ziele“ genommen wird, so ist es in der Studie zu lesen.

Der Wunsch, leistungsfähiger zu sein, betrifft den Beruf ebenso wie das Studium oder die Schule. Daher machen sich Drogenexperten Sorgen, dass Crystal Meth großflächig an den Schulen gehandelt werden könnte – schließlich ist die Substanz nicht teuer. Immerhin nannte ein Drittel der Befragten als Motiv für ihren Konsum „Schule und Studium“. Und sie gaben an, die Substanz durch Freunde oder Bekannte bekommen zu haben. Auch junge Mütter finden sich in der Studie, die durch Beruf und Kinder gestresst sind und sich mit Hilfe der Droge durch den anstrengenden Alltag quälen. Auch das Suchtpotenzial von Crystal Meth lässt sich aus den Daten herauslesen. Denn als Grund für den Konsum nennen die Befragten nach der leistungssteigernden Wirkung die als angenehm empfundene Wirkung und das starke Verlangen nach der Substanz – eben die Sucht.