Nehmen die Wirte das Drogenproblem im Leonhardsviertel jetzt selbst in die Hand? Von der Stadt und der Polizei enttäuscht, werden Rufe nach einem privaten Sicherheitsdienst laut, der für Ordnung sorgen soll.

Digital Desk: Sascha Maier (sma)

Stuttgart - Die junge Frau schiebt ihr Baby im Kinderwagen zur Seite, holt eine Zigarettenschachtel hervor. Weitere Anstalten, das Drogengeschäft mit einigen von der Sucht sichtlich gezeichneten Männern zu verschleiern, macht sie nicht. Das Publikum, das die Szene an einem Nachmittag an der Hauptstätter Straße im Leonhardsviertel von einer Bar aus beobachtet, interessiert die Mutter herzlich wenig. Hier wird so offen gedealt wie am Frankfurter Hauptbahnhof. Ein Zustand, den die Wirte im Viertel nicht länger hinnehmen wollen.

 

Weil sie sich von der Stadt im Stich gelassen fühlen, haben sie vor wenigen Wochen eine private Initiative gegründet, um das Drogenproblem in der Nachbarschaft selbst anzupacken. Einen Namen hat der neue Klub noch nicht. Aber bereits beim ersten Treffen wurde deutlich, dass es so nicht weitergehen kann. „Wir brauchen einen privaten Sicherheitsdienst“, sagt Yafa Josephides vom israelischen Restaurant Yafa an der Stadtbahnhaltestelle Rathaus.

Bei ihr versammelten sich im Mai erstmals die Gastronomen von der Weinstube Fröhlich, vom Fou Fou, dem Korridor, dem Paul & George und andere, um einen gemeinsamen Kurs im Umgang mit den Problemen in der Altstadt zu finden. Es herrscht große Einigkeit, dass zu den drängendsten Problemen die Junkieszene gehört. Die Erzählungen der Wirte klingen ähnlich: Morgens wird erst mal geputzt, um Urinrückstände oder Spritzen zu beseitigen – und herumlungernde Drogensüchtige werden zum Gehen aufgefordert. „Dafür geht jeden Tag etwa eine Stunde drauf“, sagt Josephides.

Zu wenig Polizeipräsenz

Würde vor allem an Wochenenden ein Sicherheitsdienst Präsenz zeigen, wofür sich die Wirte die Kosten teilen könnten, wäre das anders, glaubt sie: „Die Polizeipräsenz ist zu wenig.“ Gleichzeitig betont Yafa Josephides, dass sie persönlich keine feindseligen Gefühle gegenüber den Drogenabhängigen hegt. „Das sind natürlich Menschen und wir leben hier in einer Großstadt“, sagt sie.

Die Idee, eine private Sicherheitsfirma zu beauftragen, findet trotzdem auch bei anderen Wirten Anklang. Francesco Molendini betreibt nur wenige Häuser weiter das Café Bohne. Eine Zigarettenkippe fliegt aus dem vierten Stock auf den Gehweg. „Die kam aus einer Wohngemeinschaft, mit denen spreche ich nachher“, sagt Molendini. Neben der Drogenproblematik im Viertel stört ihn vor allem der Müll: „Es gibt weit und breit nicht einen Mülleimer.“ Die Idee mit der Privat-Security findet er prima. „Das würde auf jeden Fall helfen“, sagt der Gastronom.

Kersten Knödel vom Immer Beer Herzen Richtung Wilhelmsplatz ist davon nicht wirklich überzeugt. Vor fast genau einem Jahr wurde hier eingebrochen – einiges deutete damals auf Beschaffungskriminalität hin. „Für die Sicherheit im Viertel ist die Polizei zuständig“, sagt Knödel. Heute sei er die Hauptstätter Straße bereits etliche Male hoch- und runtergelaufen und habe dabei nicht einen Streifenpolizisten gesehen.

Die Drogenszene breitet sich aus

Am Wochenhände sorgt im IBH, wie sich die Abkürzung des Ladens eingebürgert hat, ein Türsteher an der Terrasse für Ordnung. „Noch mehr Geld für Sicherheit wollen wir eigentlich nicht ausgeben“, sagt Knödel. Außerdem würden die Wirte bereits genug Steuern zahlen und zu einer positiven Quartiersentwicklung beitragen – darum sieht er die Stadt in der Pflicht.

Die Polizei beobachtet im Leonhardsviertel keine Verschlechterung, allerdings auch keine Verbesserung der Lage. „Dass sich die Drogenszene dort mittlerweile weit über den Leonhardsplatz ausgeweitet hat, ist uns bekannt“, sagt Polizeisprecher Stephan Wiedmann. Die Spritzenfunde reichen heute von der Jakobschule bis zum Charlottenplatz.

„Wir sind dort fast täglich mit Streifen im Einsatz“, sagt Wiedmann. Auch mit Kräften der sogenannten Sicherheitskonzeption Stuttgart (SKS), die besonders an Brennpunkten in der City unterwegs ist. Nicht genug, wie die Elternschaft der Jakobschule, die Mehrheit der Kommunalpolitiker im Bezirksbeirat Mitte, die Bordellbetreiber im Rotlichtviertel und jetzt auch die Wirte finden. Letztere Planen bereits ihr nächstes Treffen. Die Probleme, über die sie sprechen, werden wahrscheinlich die gleichen sein.