Ein 37-Jähriger verkauft im Kreis Böblingen großen Stil Drogen. Sein Geständnis kürzt den Prozess am Landgericht Stuttgart deutlich ab.

Am Ende eines kurzen ersten Verhandlungstages flossen viele Tränen: Ausnahmsweise erlaubten die Justizbeamten einem 37-jährigen Aidlinger, seine Mutter und ein paar andere Familienangehörige zu umarmen – so gut das mit Handschellen eben geht. Zuvor hatte der Angeklagte mit einem Geständnis dazu beigetragen, dass sein ursprünglich bis Mitte Februar terminierter Prozess am Landgericht Stuttgart wegen Drogenhandels im großen Stil deutlich früher mit einem Urteil abgeschlossen werden kann.

 

Kurzer Prozess wegen Verständigung

Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung einigten sich auf eine so genannte Prozessverständigung: Sollte er ein qualifiziertes Geständnis ablegen, würde sich seine Haftstrafe im Rahmen zwischen zwischen fünf Jahren und fünf Monaten und fünf Jahren und neun Monaten bewegen. Nach dieser Verständigung räumte der Mann die in der Anklage geschilderten Vorwürfe in vollem Umfang ein. Und die hatten es in sich, wie sich zeigte.

Der 37-Jährige gestand, im ersten Halbjahr 2021 einen regen Handel mit Drogen im Kreis Böblingen betrieben zu haben, um sich eine Einnahmequelle zu sichern und seinen eigenen Drogenkonsum zu finanzieren. Insgesamt hat der Aidlinger demnach in seinem Heimatort sowie in Böblingen, Sindelfingen und Herrenberg rund 8,5 Kilogramm Marihuana, 15 Kilogramm Amphetamin und zwei Kilogramm Kokain angekauft und gewinnbringend weiterveräußert.

Die Staatsanwaltschaft warf ihm insgesamt neun Taten des Rauschgifthandels zwischen Februar und Mai 2021 vor. Der umfangreichste Handel hat im Februar stattgefunden, als der 37-Jährige fünf Kilogramm Marihuana und vier Kilogramm Amphetamin kaufte und noch am Abend desselben Tages für 20 000 Euro weiterverkaufte. Fast filmreich waren die Drogen teilweise in Bunkern im Wald versteckt.

In der Regel kaufte der Aidlinger die Drogen von zwei anderen Männern, die wegen dieser Geschäfte vom Landgericht Stuttgart bereits zu sieben beziehungsweise fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt worden sind. „Diese beiden Männer hatten die ganzen Kontakte, mein Mandant hatte nur eine untergeordnete Funktion“, erklärte der Frankfurter Strafverteidiger Oliver Wallasch für den Aidlinger. Zudem habe er zehn bis 20 Prozent der erworbenen Mengen selbst konsumiert.

Der Prozess ist Teil des so genannten Anom-Komplexes: Über vermeintlich abhörsichere Krypto-Handys dieser Firma wurden die Geschäfte des Angeklagten und zahlreicher weiterer Beteiligter geplant und abgewickelt. Tatsächlich waren die Anom-Handys vom amerikanischen Geheimdienst FBI in Verkehr gebracht worden, die Kommunikation hierüber wurde vom ersten Tag an überwacht. Daher wird in Juristenkreisen über die Verwertbarkeit der Daten gestritten, ein höchstrichterliches Urteil gibt es zu diesem Komplex bisher nicht.

Eine Therapie erscheint angezeigt

Der Prozess soll bereits am zweiten Verhandlungstag am 27. Januar mit einem Urteil abgeschlossen werden. Unklar ist, ob der Angeklagten noch mal auf freien Fuß kommt, bevor er seine Haftstrafe und eine mögliche Drogentherapie antritt. Sein Verteidiger bat darum, ihm noch ein paar Tage in Freiheit zu gewähren, um „einige Dinge zu regeln, bevor sein bürgerliches Leben endgültig in Schieflage gerät“. „Seien Sie sicher, ich laufe Ihnen nicht weg“, ließ der Aidlinger über seinen Verteidiger ausrichten.

Der Staatsanwalt sprach sich gegen die zeitweise Aufhebung des Haftbefehls aus, angesichts der zu erwartenden hohen Strafe bestehe ein hoher Fluchtanreiz. Bis zum nächsten Verhandlungstag will das Gericht hierüber eine Entscheidung treffen.

Anom-Krypto-Handys

Hintergrund
Hinter den Krypto-Handys der Firma Anom steckte der amerikanische Geheimdienst FBI. Das modifizierte Google-Pixel-Handy mit eigenem Betriebssystem kam im Jahr 2020 auf den europäischen Markt. Es hatte keine Telefon- und SMS-Funktion, auch das GPS-System war nicht installiert. Die Chat-Funktion war hinter einem Taschenrechner versteckt. Über die vermeintlich abhörsicheren Handys wurden Waffengeschäfte, Drogendeals und Auftragsmorde in aller Welt abgewickelt. Am 7. Juni 2021 koordinierten Ermittlungsbehörden anlässlich der Operation „Trojanerschild“ weltweit Razzien in 16 Ländern. Dabei wurden 800 Personen festgenommen, knapp 50 Millionen US-Dollar und tonnenweise Drogen beschlagnahmt.