Die Dealer machen ihre Geschäfte, die Anwohner leiden, die Polizei ist machtlos: Der Gewaltausbruch vom Wochenende hat es zumindest unmöglich gemacht, das Problem mit Drogendealern am Görlitzer Park in Berlin zu ignorieren.

Berlin - Noch ist nicht viel zu sehen von dem Kampf, den die Berliner Polizei seit Beginn dieser Woche gegen die präsenteste Drogenszene der Stadt aufgenommen hat. Im Görlitzer Park, diesem schmalen, abgerockten Grünstreifen in der Ausgehmeile von Kreuzberg, gibt es am Nachmittag alles, was man für einen Rausch braucht. Man muss nicht einmal danach fragen. „You want Gras?“, fragt ein junger Mann vor dem Park. Entlang der Wege und auf der Wiese stehen mehr als 100 Dealer und warten auf Kundschaft. Wer nicht angesprochen werden will, muss demonstrativ wegsehen – schließlich gibt es außer für potenzielle Kunden eigentlich keinen Grund mehr, diesen anstrengenden und nicht ungefährlichen Ort aufzusuchen.

 

Die Stimmung ist angespannt, seit am Wochenende die Situation in einem bisher beispiellosen Gewaltausbruch eskaliert ist. In der Nacht zu Samstag hatten zwei junge Mitarbeiter eines Shisha-Cafés zwei Dealer aus Guinea angegriffen und niedergestochen. Beide wurden lebensgefährlich verletzt. In der Folge überfiel eine Gruppe von vermutlich Dealern aus Rache die Bar und verwüstete das Lokal. Der Eskalation war ein längerer Streit vorausgegangen: Der Wirt hatte den Dealern verbieten wollen, vor seinem Lokal so genannte Bunker für Drogen einzurichten, in der Päckchen zwischengelagert werden, damit die Händler sie bei Kontrollen nicht am Leib tragen. Es kam zum Streit, dann soll der Wirt zugestochen haben. Mehrere Medien berichteten, der Mann habe in den Wochen zuvor 70 mal die Polizei wegen des Drogenhandels vor seinem Betrieb gerufen, weshalb sein Lokal wiederholt angegriffen worden sei.

Eine Task Force soll das Problem lösen

Die Dealer machen ihre Geschäfte, die Anwohner leiden, die Polizei ist machtlos. Der Gewaltausbruch vom Wochenende hat es zumindest unmöglich gemacht, das Dauerproblem am Görlitzer Park zu ignorieren. Das führt zu Handlungsdruck auf die Politik. Der CDU-Innensenator Frank Henkel kündigte die Bildung einer „Task Force“ an, in der Polizei, Staatsanwaltschaft, Justizverwaltung und Ausländerbehörde enger zusammenarbeiten sollen.

Viele der Drogenhändler kamen als Flüchtlinge aus afrikanischen Staaten und sind ohne Aufenthaltsstatus. Henkel hatte jüngst die Justiz kritisiert, die „in den seltensten Fällen den Argumenten der Polizei gefolgt ist“, weshalb Ermittlungen folgenlos geblieben seien. „Wenn man so einen Sumpf trocken legen will, braucht es einen neuen Ansatz. In einer ersten Aktion überprüfte die Polizei binnen eines Tages mehr als 100 Personen, beschlagnahmte Drogenpäckchen und erteilte Platzverweise.

Grüne Bürgermeisterin lehnt repressive Maßnahmen ab

Aber das Problem, das sich über Jahre entwickelt hat, wird nicht über Nacht zu lösen sein, das ist auch den politischen Kontrahenten klar. Noch ist nicht bekannt, wie genau die Task Force zu Erfolgen kommen will. In der Bekämpfung des Drogenhandels führen mehr Polizeieinsätze in der Regel nur dazu, dass die Dealer sich einen neuen Ort für ihre Geschäfte suchen – es wird dabei befürchtet, dass sie weiter in die umliegenden Wohnstraßen vordringen.

Der Bezirk unter Führung der grünen Bürgermeisterin Monika Herrmann hatte bisher repressive Maßnahmen abgelehnt und den Handel lange toleriert. Als sich immer mehr Anwohner beschwerten, wurden Sozialarbeiter eingesetzt, um Dealer zu Rücksichtnahme aufzufordern. Zugleich gab es Pläne für ein Pilotprojekt, einen bisher nicht legalen Coffeeshop zum Verkauf weicher Drogen einzurichten. Die Bezirksbürgermeisterin räumte allerdings nun ein, dass der Drogenhandel eine Dimension angenommen habe, die der Bezirk nicht bekämpfen könne. Die Aggressivität der Dealer sei immer schlimmer geworden. Es handele sich um organisierte Kriminalität.