Vor 40 Jahren hat das Land Rauschmitteln den Kampf erklärt – die USA leiden noch heute darunter. Ändern tut sich trotzdem nichts.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Los Angeles - Am Strand von Los Angeles ist der Krieg gegen die Drogen längst eine Farce. "Der Doktor ist da", sagt ein großes Plakat in Venice Beach. Daneben steht eine lange Liste der kleinen und größeren Zipperlein gegen die angeblich nur ein Kraut gewachsen ist, das man hier problemlos verschrieben bekommt. "Marihuana zu medizinischen Zwecken" nennt man diese scheinheilige Form der Drogenlegalisierung in Kalifornien.

 

Während in anderen US-Bundesstaaten immer noch Hunderttausende selbst wegen kleiner Mengen Marihuanas von der Polizei festgehalten werden, hat sich der bevölkerungsreichste Bundesstaat von dieser Praxis verabschiedet - ohne allerdings die Legalisierung zu riskieren. Der Hanfanbau ist an der Westküste inzwischen eine millionenschwere Industrie. Doch ein paar Kilometer weiter südlich sind Drogen, vor allem die härteren Varianten Heroin und Kokain, der Nährboden für brutale Gewalt.

An der mexikanisch-amerikanischen Grenze blüht der Drogenschmuggel wie eh und je. Die Grenzregionen von Amerikas südlichem Nachbar, aus dem 90 Prozent des Rauschgifts für den größten Drogenmarkt der Welt kommen, sind seit Langem im Würgegriff der Drogenmafia. Der Staat hat abgedankt, Morde gehören zum Alltag.

Die Strafen sind immer härter geworden

Als vor genau vierzig Jahren, am 17. Juni 1971, der damalige US-Präsident Richard Nixon erstmals vom "War on Drugs" sprach, dem "Krieg gegen Drogen", glaubte er an einen schnellen Sieg. "Um diesen Feind zu bekämpfen, müssen wir eine neue, totale Offensive starten", sagte der Präsident, der zur selben Zeit Amerikas allmählichen Rückzug aus Vietnam einleitete. Nixon sah sich im Einklang mit der schweigenden Mehrheit der Amerikaner, die mit Entsetzen in Südostasien US- Soldaten im Drogenrausch und zu Hause Antikriegsdemonstranten mit Haschischpfeifen gesehen hatten.

Der Republikaner, der danach den Kampf gegen den Drogenkonsum mit Hunderten von Millionen Dollar aufrüstete, und 1973 die Antidrogenbehörde DEA gründete, ist längst Geschichte. Doch der Krieg, den er begann, lastet noch heute auf der Gesellschaft. Während im Rest der Welt längst flexiblere Methoden der Drogenprävention ausprobiert werden, sind die USA weitgehend ihrem harten Kurs treu geblieben. Kein Präsident seit Nixon hat es gewagt, davon prinzipiell abzuweichen. Unter konservativen Präsidenten wie Ronald Reagan wurde der puritanisch-verbissene Kampf verschärft, obwohl die USA mit ihrem in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts gescheiterten, totalen Alkoholverbot ein abschreckendes historisches Beispiel erlebt haben.

Die Strafen sind in den vergangenen vierzig Jahren immer härter geworden. Selbst kleine Konsumenten landen oft für Jahre hinter Gittern. Experten schätzen, dass ein Viertel aller Gefangenen in den USA wegen Drogendelikten verurteilt wurden - weswegen die USA im Vergleich zur Bevölkerung mehr Gefängnisinsassen haben als jedes andere Land der Welt. Insbesondere für junge, schwarze Männer sind jahrelange Gefängnisaufenthalte zum Teil einer typischen Biografie geworden. Als 1995 eine offizielle Kommission des US-Kongresses nachwies, dass Schwarze und andere Minderheiten im Vergleich zu ihrem realen Drogenkonsum überdurchschnittlich häufig kriminalisiert werden, blieb dies politisch folgenlos.

"Der globale Krieg gegen Drogen ist gescheitert"

Rund 40 Milliarden Dollar gaben die USA nach Schätzungen der nationalen Drogenbehörde im Jahr 2010 für diesen Kampf aus - doch die Zahl der Drogennutzer ist dennoch auf rund 20 Millionen gestiegen. Kurz vor dem Jahrestag von Nixons "Kriegserklärung" haben die UN deshalb eine vernichtende Bilanz gezogen. "Der globale Krieg gegen Drogen ist gescheitert - mit verheerenden Folgen für Individuen und Gesellschaften rund um die Welt", heißt es im Untersuchungsbericht der Kommission zur Drogenpolitik. "Dies ist der vierzigste Jahrestag des größten, teuersten und destruktivsten sozialpolitischen Experiments der amerikanischen Geschichte", schreibt die "Washington Post".

Doch Barack Obama hat nach seinem Amtsantritt das Problem nur semantisch zu entschärfen versucht. Der von seinem Amtsvorgänger George W. Bush noch häufig gebrauchte Begriff des "Drogenkrieges" gehört nicht zu seinem Vokabular. In der Praxis hat sich aber wenig geändert. In einem dramatischen Appell haben zum Jahrestag Ex-Außenminister George Shultz und der ehemalige Notenbankchef Paul Volcker die US-Regierung deshalb aufgefordert, das Ruder endlich herumzureißen. Doch bis jetzt quittiert das Weiße Haus das traurige Jubiläum mit Schweigen.

Eine Chronik des Krieges gegen Drogen

17. Juni 1971: US-Präsident Richard Nixon spricht erstmals vom „Krieg gegen Drogen“. Drogenmissbrauch sei der „Staatsfeind Nummer eins“.

1975: Unter dem Fahndungsdruck eskaliert die Gewalt: Drogenhändler im kolumbianischen Medellin massakrieren nach der Beschlagnahme von Kokain 40 Menschen. Die Kartelle bringen die Drogen auf dem Luftweg in die USA.

1986: US-Präsident Reagan verschärft die Gesetze gegen Drogenhandel. Sie sehen harte Mindeststrafen bei kleinsten Mengen vor. Mexiko wird neues Einfallstor der Schmuggler. Die Kokainvariante Crack überschwemmt die USA.

1989: Die USA stürzen den panamaischen Diktator Manuel Noriega wegen dessen Verwicklung in den Drogenhandel.

1993: US-Präsident Clinton macht Mexikos Kooperation beim Drogenkampf zur Bedingung für ein Freihandelsabkommen. Seither hat es dort Zehntausende von Toten gegeben.

2000: Die USA rüsten im Antidrogenkampf in Kolumbien auf. In den Jahren danach geben sie dafür fast 5 Milliarden Dollar aus.

2004: Die US-Antidrogenbehörde DEA wird in Afghanistan stationiert.

2009: Barack Obamas neuer Drogenbeauftragter verfügt, dass der Begriff „Krieg gegen Drogen“ nicht mehr verwendet werden soll. In der Praxis ändert sich wenig.