Österreich macht den Anfang bei der Wiederbelebung der ehemaligen Schlecker-Drogeriemärkte. Auf zwei frisch renovierte Testfilialen sollen nach der Idee des Wiener Investors Rudolf Haberleitner bis zu 3000 neue Dayli-Läden in ganz Europa folgen.

Wien - Nicht einmal die Idee mit den strahlenden Gesichtern ist unverwechselbar. Lediglich die türkisfarbene Schrift unterscheidet das Schaufenster des Dayli-Shops im Westen Wiens, der bis vor wenigen Monaten noch eine Schlecker-Filiale gewesen ist, von den Scheiben bei DM. Der Konkurrent lockt gleich um die Ecke ebenfalls mit Hochglanzbildern lächelnder Menschen. Schlecker heißt jetzt Dayli – und das allein in der österreichischen Hauptstadt an 48 verschiedenen Standorten. Nach der Insolvenz des Ehinger Familienunternehmens übernahm der selbst erklärte Sanierungsspezialist Rudolf Haberleitner mit seiner Beteiligungsgesellschaft TAP 09 vergangenen Sommer rund 1400 Auslandsfilialen, knapp 900 in Österreich, die übrigen in Italien, Belgien, Luxemburg und Polen. Er nannte die Märkte Dayli-Shops, beschäftigte mehr als 4500 Mitarbeiter weiter und sorgte einmal dafür, dass wieder Ware in die Regale kam.

 

Ein halbes Jahr später werden gleich am Eingang des Wiener Drogeriemarktes auf kleinen Ramschtischen Artikel um bis zu 80 Prozent reduziert angeboten – es ist der „Dayli-Flohmarkt“. Daneben steht Gebäck, sogar ein paar Kerzen brennen. „Wer hat Geburtstag?“, fragt eine Stammkundin, als sie schwungvoll zur Tür hereinkommt. Auf Schnäppchen ist sie nicht aus. Diese Ware muss raus, erklärt eine der beiden Verkäuferinnen, um Platz für eine Theke zu schaffen, an der bald belegte Brötchen und Coffee-to-Go angeboten werden sollen. Bisher sieht der Laden von Innen noch genauso trist aus, wie viele Schlecker-Läden auch in Deutschland bis zu ihrer Schließung ausgesehen haben. Selbst viele Preisaufkleber tragen noch den alten Schriftzug.

Die ersten Testfilialen sind in Linz und Pöggstall zu besichtigen

Die geplante Kaffeetheke ist nur ein Teil des neuen Verkaufskonzeptes, mit dem der Wiener Investor Haberleitner die Renaissance der Tante-Emma-Läden einleiten will – und zwar im großen Stil. Ein Vorgeschmack auf das Nahversorgungskonzept des Österreichers ist seit vergangener Woche in Linz-Ebelsberg und im niederösterreichischen Pöggstall zu besichtigen, wo Testfilialen eröffnet wurden. Optisch bieten die beiden frisch renovierten Läden das Kontrastprogramm zu bestehenden Verkaufsflächen, auch im Sortiment heben sie sich ab. Die Tageszeitung „Der Standard“ nannte sie ein „Sammelsurium aus Nahrungsmitteln, Kochlöffeln, Pfannen, Aktenordnern, Hygieneartikeln, Zigaretten und Zeitschriften“. Klassische Drogeriewaren machen nur noch etwa 60 Prozent des Sortiments aus, das rund 900 Produkte umfasst. Daneben werden etwa 40 Dienstleistungen angeboten, vom Lieferservice über eine Wäscherei bis zum Mietwagenverleih. Eine Postannahmestelle gehört ebenso zum Angebot wie ein Bistro. „Man muss sich wieder beim Einkaufen treffen können und ein Tratscherl halten“, betonte Haberleitner zur Eröffnung in Linz. Die Gastro-Konzession soll die Ladenöffnung auch an Sonntagen ermöglichen, was in Österreich bereits Gewerkschaften und Handelsverbände auf den Plan gerufen hat.

Sollte sich das neue Nahversorgungskonzept bewähren, könnten bis zu 3000 Dayli-Filialen in 20 europäischen Ländern folgen, auch in Deutschland, wo vielerorts ehemalige Schlecker-Märkte leer stehen. Mit abgeklebten Schaufenstern zeugen sie vom Untergang der einst größten deutschen Drogeriemarktkette. Haberleitner tritt hierbei allerdings nicht als Investor des bereits in der Abwicklung befindlichen Unternehmens auf, sondern nur als neuer Mieter der ehemaligen Schlecker-Räumlichkeiten. Mehr als 500 Vorverträge im gesamten Bundesgebiet seien bereits unterzeichnet, erste Testfilialen im süddeutschen Raum sollen bis Ostern eröffnen.

Kritiker sehen keinen Bedarf für neue Handelsmärkte

Nach den Vorstellungen Rudolf Haberleitners werden seine Läden vor allem den Kunden eine Alternative bieten, die sonst lange Wege bis zum nächsten Supermarkt auf sich nehmen müssten. Bereits an dieser Stelle melden Kritiker, die der 67-Jährige selbst als „Neider“ bezeichnet, ihre Zweifel an. Die Abdeckung mit Discountern und Supermärkten in Österreich sei mehr als ausreichend, sagt etwa Peter Schnedlitz von der Wirtschaftsuniversität Wien. Der Handelsfachmann räumt der Dayli-Idee keine großen Erfolgsaussichten ein. Schon Schlecker sei an Standorte gezogen, die von etablierten Filialisten aufgegeben wurden, sei es weil das Einzugsgebiet zu gering oder die Geschäftsfläche zu klein war.

Wie das reichhaltige Angebot in die zumeist kleinen Mieträume passen soll, ist in der Tat fraglich. Im Wiener Westen stehen der Verkäuferin zufolge schon jetzt weniger Regale im Landen als früher. Die beklemmende Enge, die nicht selten Kunden abgeschreckt habe, ist in der Tat gewichen. Doch in den Regalen stehen nun weit weniger Artikel als bei den Mitbewerbern. Bei vielen Artikeln hat die Kundschaft höchstens die Auswahl zwischen zwei verschiedenen Marken – gelegentlich nicht einmal das. Lagerraum gibt es kaum, was eine Paketannahmestelle praktisch unmöglich macht. Ob die neue Kaffeetheke jedoch die einzig anstehende Veränderung ist, auf die sich die Angestellten neben dem neuen Namen der ehemaligen Schlecker-Filiale einstellen müssen, wissen sie nicht.