Seit der Schlecker-Insolvenz stehen bundesweit Tausende von ehemaligen Filialen leer: Zumindest für einen Teil davon soll es nach den Vorstellungen der Gewerkschaft Verdi schon bald einen Neubeginn geben.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

Stuttgart - Seit der Schlecker-Insolvenz stehen bundesweit Tausende von ehemaligen Filialen der Drogeriekette leer. Zumindest für einen Teil davon soll es nach den Vorstellungen der Gewerkschaft Verdi schon bald einen Neubeginn geben – und damit auch eine berufliche Perspektive für die ehemaligen Beschäftigten. Eine von Ihnen ist Heike Bayer. Die langjährige Leiterin der Filiale in Ludwigsburg-Hohneck und ihre Kolleginnen hoffen, dass sie noch in diesem Jahr wieder an ihre alte Arbeitsstätte zurückkehren können. „Auf dem Arbeitsmarkt werden wir doch nur verramscht“, meint die 44-Jährige. „Da darf man eine Woche lang zur Probe arbeiten und erfährt dann erst, was man verdient.“

 

Noch in diesem Herbst wollen Bayer und ihre Mitstreiterinnen „ihren“ Laden wieder aufmachen – auf Basis eines Konzepts, das die Verdi-Landeschefin Leni Breymaier jetzt in Stuttgart vorgestellt hat. Das Stichwort dazu lautet Nahversorgung. „In manchen Orten gibt es nach der Schließung der Schlecker-Filiale nur noch einen Bäcker und einen Metzger“, meint die Gewerkschafterin. Und auch die seien irgendwann weg, wenn die Leute zum Einkaufen ohnehin in die nächstgrößere Stadt fahren müssten.

Potenzial für bis zu 1000 Läden

Bundesweit könnten nach den Vorstellungen von Verdi bis zu 1000 ehemalige Läden von Schlecker und der Tochter Ihr Platz mit neuem Logo und je nach Standort angepasstem Sortiment wieder an den Start gehen. In Baden-Württemberg soll es noch in diesem Herbst an drei Orten losgehen: Erdmannhausen, Murr und Bietigheim-Buch. Weitere sollen folgen. „Wenn es gut läuft, kommen wir bis zum Jahresende auf zehn Läden.“ Längerfristig sieht Verdi im Südwesten sogar ein Potenzial von bis zu 100 Wiedereröffnungen.

Die finanzielle Basis für den Neuanfang der Schlecker-Filialen als „Dorfläden“ – der geschätzte Kapitalbedarf liegt im Durchschnitt bei 50 000 Euro je Standort – will Verdi unter anderem durch eine breite Beteiligung der Menschen vor Ort schaffen. „Wir wollen dazu Münzen mit Werten von 20, 50 und 100 Euro prägen, die zusammen mit entsprechenden Zertifikaten auf Bürgerversammlungen oder bei regionalen Banken verkauft werden“, sagt Christina Franke vom Verdi-Bezirk Stuttgart. Nach einer festgelegten Frist könnten diese Münzen auch für Einkäufe in den Läden eingesetzt werden. Bis dahin bleibe das Geld im Unternehmen.

Von der Idee her sei das Ganze eine Art Genossenschaft, so Franke. Allerdings seien als Rechtsform zunächst sogenannte Mini-GmbHs geplant, die sich schneller und mit nur einem Euro Startkapital gründen ließen. Gebündelt würden die Mini-GmbHs in einer Holding, die sich um den gemeinsamen Einkauf und andere zentrale Funktionen wie etwa die Buchhaltung kümmern soll. Vom Wiedereinstieg ehemaliger Schlecker-Mitarbeiterinnen als Einzelunternehmer hält Franke nichts. Das sei zu riskant. „Ich sage den Frauen: macht so was nicht alleine und nur mit begrenzter Haftung.“ Für das jetzt vorgestellte Dorfladenmodell hätten bereits rund 50 ehemalige Schlecker-Mitarbeiterinnen Interesse signalisiert.

Auch die Kommunen sollen helfen

Unterstützung erwartet sich Verdi auch von den Gemeinden. „Bei mir rufen ständig Bürgermeister an, die Angst haben, dass es in ihrem Dorf bald wie in einer Geisterstadt aussieht“, sagt Franke. Konkret könnten die Kommunen den Neugründern etwa durch die Übernahme der Ladenmiete unter die Arme greifen. Von den Vermietern der ehemaligen Schlecker-Filialen komme ebenfalls positive Resonanz.

„Damit das Ganze funktionieren kann, müssen aber auch die Lieferanten mitziehen“, sagt Breymaier. Wenn es gelinge, genügend Kapital einzusammeln, so dass keine Bankkredite nötig seien, stünden die Chancen dafür gut, meint der Unternehmensberater Wolfgang Gröll, der bundesweit schon rund 140 solcher Nachbarschaftsläden konzipiert hat und nun auch Verdi berät. Hilfe erwarten kann Verdi auch von der Landesregierung: „Wir stehen dem Konzept aufgeschlossen gegenüber“, sagte ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums. Man werde ernsthaft prüfen, wie die vorhandenen Förderinstrumente – etwa Beratungsgutscheine oder Existenzgründungsseminare – an diesen speziellen Fall angepasst werden können. Ein Sonderprogramm Schlecker sei nicht erforderlich.