Droht im Jahr 2022 eine Jahrhundertdürre? Ein entsprechendes Szenario hat unlängst ein Experte des Online-Wetterdiensts Q.met in an die Wand gemalt – und darüber spekuliert, der März anno 2022 werde womöglich der trockenste März seit 1881. Andere Meteorologen widersprachen sofort, von einer Dürre in Deutschland könne aktuell keine Rede sein. Fakt ist allerdings: Es hat ungewöhnlich lange nicht geregnet, weshalb in manchen Teilen des Landes bereits hohe Waldbrandstufen gelten – und manche Landwirte sorgenvoll auf die kommenden Monate blicken.
Der Grundwasserpegel sinkt Klaus Stammel besitzt eine eigene Quelle für seine Gärtnerei in Leonberg (Kreis Böblingen). Normalerweise, erzählt er, sei sein Wasserspeicher, der etwa 400 000 Liter fasst, voll. „Nicht so in diesem Jahr. Durch den mangelnden Regen ist der Grundwasserspiegel gesunken.“ Ebenfalls unüblich für diese Jahreszeit: „Wir müssen jetzt schon Karotten und Salat bewässern, die im Freien wachsen. Sollten unsere Wassermengen nicht reichen, müssen wir es von der Stadt zukaufen.“
Das ist kein Einzelfall, an vielen Orten der Region Stuttgart warten Landwirte zurzeit auf Regen. Stammel rechnet damit, dass wegen der Zusatzkosten für die Bewässerung die Preise für landwirtschaftliche Produkte bald steigen werden, und das ist nicht das einzige Problem: Auch der Russland-Ukraine-Krieg spiele eine Rolle: „Die Düngemittel werden teurer, die Energiekosten auch“, sagt Stammel. „Das wird meines Erachtens kein einfaches Jahr.“
Noch kein Grund zur Panik Für Panik allerdings ist es zu früh. Natürlich hätte er gern etwas Niederschlag gehabt, sagt etwa der Fellbacher Landwirt Peter Treiber. Wichtiger werde die Wasserversorgung aber im Mai und dann in den Sommermonaten. Momentan stagniere vor allem das Getreide. „Aber das ist im März noch nicht so tragisch.“
Dazu existiert sogar eine Bauernregel: Ist der Mai kühl und nass, füllt’s dem Bauern Scheun’ und Fass. „Einen gewissen Wahrheitsgehalt haben diese Regeln ja“, sagt Frank Hagenlocher, der gerade auf seinen Feldern rund um Ditzingen und Hirschlanden (Kreis Ludwigsburg) Sommergerste und Sommerweizen gesät hat. Auch Wintergetreide wie Weizen und Dinkel, Zuckerrüben oder Soja für die Tofu-Verarbeitung baut der Landwirt an. „Wir haben im Strohgäu glücklicherweise gute Lösslehmböden, die das Wasser perfekt aufnehmen, speichern und wieder abgeben können“, sagt der 46-Jährige, der auch Legehennen und Mastrinder in seinem Betrieb hat. „Momentan brennt nichts an, weil das Hauptwachstum noch nicht eingesetzt hat. Trotzdem fehlt der Niederschlag.“
Der Klimawandel ändert vieles Auch Thilo Streck, Professor mit Fachgebiet Biogeophysik an der Uni Hohenheim, sagt: „Es kommt drauf an, wie es weitergeht.“ Für die kommenden Tage werden für den Südwesten erstmals seit mehreren Wochen stärkere und länger anhaltende Niederschläge vorhergesagt, entscheidend ist aber, wie sich die Wetterlage in den nächsten Monaten entwickelt. Bislang beschränke sich die Trockenheit weitgehend auf die Oberböden, das heißt auf die obersten zehn Zentimeter. Darunter sei genügend Feuchtigkeit vorhanden, sagt Streck.
Aktuell befinden sich die Landwirte demnach nicht in einer Notlage. Die Herausforderungen, mit denen die Bauern zu kämpfen haben, sind eher grundsätzlicher Natur. Der Klimawandel führt zu länger anhaltenden Wetterlagen. Für die Bodenbewirtschaftung sei wechselndes Wetter deutlich besser, sagt Streck. Ohne lange Trocken- oder Nässeperioden. Schließlich führe auch zu viel Wasser zu Problemen auf den Feldern.
Wird es wieder wie 2018? Hans-Georg Schwarz ist mit seinem Falkenhof im Leonberger Stadtteil Gebersheim vorwiegend auf Milchkühe, Milch- und Fleischproduktion ausgerichtet. Mit Sorge denkt er zurück an die Dürrejahre 2003 und 2018. „Die waren richtig schlimm“, sagt Schwarz, der kürzlich im neu strukturierten Landesbauernverband Nordschwarzwald-Gäu-Enz in den Vorstand gewählt wurde.
An die guten Erträge des vergangenen Jahres könnte er nur anknüpfen, wenn das Wetter mitspielt, und die vergangenen Wochen sind für ihn ein schlechtes Zeichen. „Die Natur kann viel ausgleichen, aber momentan ist es deutlich zu trocken.“ Zwar sei die Lage noch nicht kritisch, „weil es noch kein Wachstum gibt, doch das ändert sich schnell.“ Aus dem gleichen Grund blicken die Winzer in der Region relativ entspannt auf die Dauersonne. Noch wächst in den Weinbergen nicht viel. Deshalb sei der Wasserbedarf der Pflanzen nicht groß, sagt der Bönnigheimer Weinmacher Ernst Dautel.
Die Waldbrandgefahr steigt Ganz akut wirkt sich die lange Trockenphase allerdings in den Wäldern der Region aus. Am vergangenen Sonntag musste die Feuerwehr einen Brand im Unterholz bei Winterbach im Rems-Murr-Kreis löschen – die Ursache ist noch unbekannt. Auch im Kreis Esslingen, in Plochingen und in Neuhausen auf den Fildern, sind zuletzt mehrere hundert Quadratmeter Waldfläche in Flammen aufgegangen.
Der baden-württembergische Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) hat bereits vor der erheblichen Waldbrandgefahr gewarnt. „Sonnenschein und Wind der letzten Tage und Wochen haben im Wald die Laubreste, Nadelstreu und auf dem Boden liegende Äste und Reisig stark ausgetrocknet“, sagte er. Der nur vereinzelt gefallene Regen habe kaum zur Entspannung beigetragen. Die Waldbesucher seien deshalb gefordert, besonders umsichtig zu sein.