Die Konjunktur-Aussichten in Deutschland sind ziemlich trübe. Die Regierung kündigt an, dass sie im Falle einer neuen Wirtschaftskrise mit „vielen, vielen Milliarden gegenhalten“ werde. Woher das Geld kommen könnte, ist allerdings unklar.

Berlin - Die Bundesregierung will im Falle einer Wirtschaftskrise mit einem umfangreichen Ausgabenprogramm die Konjunktur in Deutschland ankurbeln. Das bekräftigte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) am Dienstag zum Beginn der Haushaltsberatungen im Bundestag. Der Staat werde dann „mit vielen, vielen Milliarden gegenhalten“.

 

Scholz sagte: „Dass wir es können, ist die Botschaft. Und dass wir es tun werden, ist die zweite Botschaft“, ergänzte der Minister. Dies sei möglich, weil der Bund in den vergangenen Jahren solide gewirtschaftet und keine neuen Schulden aufgenommen habe. Deswegen verfüge er heute über beträchtliche finanzielle Spielräume. Scholz betonte, dass die Regierung trotz gegenteiliger Forderungen an der „schwarzen Null“ festhalten werde, also an einem Haushalt ohne neue Kredite.

In der ersten Bundestagssitzung nach der Sommerpause brachte Scholz am Vormittag seinen Entwurf für das Haushaltsgesetz 2020 sowie den Finanzplan für die kommenden Jahre ein. Dies ist der Beginn der so genannten Haushaltswoche im Parlament, in der traditionell ein grundlegender Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition stattfindet. Höhepunkt wird an diesem Mittwoch der Auftritt von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die anschließende Debatte sein.

Rechnung mit Unbekannten

Der Bundeshaushalt soll ein Volumen von knapp 360 Milliarden Euro haben – ein Plus von einem Prozent. Schwerpunkte sind das Soziale und die Entlastung mittlerer Einkommen. Scholz sprach von einem „soliden Haushalt“, der den Zusammenhalt der Gesellschaft stärke. Die Investitionen seien mit 40 Milliarden Euro so hoch wie nie zuvor. Der Betrag werde in den kommenden Jahren verstetigt.

Wie tragfähig die Pläne sind, ist allerdings unklar. Denn Ausgaben für mehr Klimaschutz sind noch nicht berücksichtigt. Das Klimakabinett der Regierung will erst am 20. September grundlegende Entscheidungen dazu fällen. Außerdem verliert die Konjunktur an Schwung, möglicherweise rutscht Deutschland gerade in eine Rezession. Hier machen sich unter anderem der Handelsstreit zwischen den USA und China sowie der bevorstehende Brexit bemerkbar. Zugleich stehen deutsche Schlüsselbranchen wie der Automobilbau vor technologischen Umbrüchen. Die Unternehmen spüren bereits jetzt eine Kauf-Zurückhaltung der Kunden.

Ohne neue Kredite kann Scholz den Planungen zufolge nur deshalb auskommen, weil er mehr als neun Milliarden Euro aus der Asyl-Rücklage entnehmen will und zudem mit „globalen Minderausgaben“ der Bundesministerien in Höhe von fast vier Milliarden Euro rechnet.

„Schwarze Null ist Errungenschaft“

Redner der Koalition verteidigten am Dienstag den Entwurf, während die Opposition heftige Kritik übte. Unions-Fraktionsvize Andreas Jung nannte die schwarze Null eine „Errungenschaft“, die es zu verteidigen gelte. Er forderte „weitere Schritte“ bei der Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Scholz will den Soli im übernächsten Jahr für 90 Prozent derjenigen streichen, die ihn zahlen. Der SPD-Haushälter Johannes Kahrs hob unter anderem die relativ hohen Investitionen hervor. „Wir investieren ein Drittel mehr als in der letzten Legislaturperiode.“

Der AfD-Abgeordnete Peter Boehringer, der dem Haushaltsausschuss des Bundestages vorsitzt, warf Scholz vor, mit unseriösen Zahlen zu hantieren. Die Kassenlage werde 2020 ganz anders aussehen. Außerdem profitiere der Bund von den Niedrigzinsen, unter denen die Sparer litten. Linken-Fraktionsvize Gesine Lötzsch beklagte, dass der Bund zu viel Geld für Rüstung ausgebe. Der FDP-Politiker Otto Fricke forderte eine stärkere Entlastung von Bürgern und Unternehmen. Der grüne Haushaltsexperte Sven-Christian Kindler kritisierte, dass der Bund zu wenig und zu unstet investiere. Der Staat müsse sich vom „Dogma“ der schwarzen Null verabschieden, forderte Kindler.