Grüne gegen Oberbürgermeister: im Ludwigsburger Gemeinderat eskaliert die Debatte um das drohende Diesel-Verbot. Die Ökopartei wirft der Stadt vor, sie vergöttere das Automobil. Werner Spec spricht von Populismus – und fordert Dankbarkeit.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ludwigsburg - Inhaltlich bot die Debatte um das drohende Diesel-Verbot wenig Erhellendes, langweilig war es am Mittwochabend im Ludwigsburger Gemeinderat trotzdem nicht. Was vor allem an zwei Protagonisten lag, die einander offenbar in herzlicher Abneigung verbunden sind. Da wäre in der einen Ecke: Michael Vierling, Wirtschaftsprofessor und Grünen-Stadtrat, der den Abend zur Generalabrechnung mit der Verwaltung nutzte. In der anderen: Oberbürgermeister Werner Spec, der gekonnt zum Gegenschlag ausholte und sich dabei ebenfalls wenig zimperlich zeigte.

 

Der Reihe nach. Zunächst erläuterte Spec, da noch friedlich, was die Stadt zu tun gedenkt, um das Diesel-Verbot abzuwenden. Bekanntlich hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) im August Klagen gegen Dutzende Städte in Deutschland angekündigt, in denen die Stickstoffdioxidbelastung höher ist als erlaubt. Ludwigsburg ist eine davon, zuletzt lag der Jahresmittelwert bei 53 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft, der Grenzwert liegt bei 40 Mikrogramm.

Um den Wert nach unten zu drücken, hat das Rathaus ein Maßnahmenpaket geschnürt: die Bahntrasse nach Markgröningen soll reaktiviert, ein vergünstigtes Stadtticket eingeführt, elektrisch betriebene Schnellbusse und andere Elektrobusse sollen angeschafft, Carsharing und generell Elektromobilität gefördert werden. Für all das will die Stadt Geld aus dem eine Milliarde Euro schweren Mobilitätsfonds, den der Bund in Aussicht gestellt hat.

„Es geht um Leben und Tod“

Spec hält das Paket für ausgewogen, vernünftig und die einzelnen Punkte für ausreichend schnell umsetzbar, um die Umwelthilfe vielleicht doch noch von einer Klage abzubringen. Außerdem sieht er darin „die Chance, die Entwicklung neuer Technologien in der Stadt voranzutreiben“, wie er am Mittwoch sagte.

Da über das Thema bereits eine Woche zuvor im Wirtschaftsausschuss gesprochen worden war, hielten sich die meisten Fraktionen im Gemeinderat mit Stellungnahmen zurück. Nicht so Vierling: Stoisch trug er eine lange Rede vor, in die er das ein oder andere martialische Bonmot eingebaut hatte: „Wir brauchen jetzt echte Maßnahmen, die schnell wirksam sind, um die Bevölkerung zu schützen“, sagte er, um dann mit ruhiger Stimme fortzufahren: Angesichts der Gefahren von Stickstoffdioxid „geht es um Leben und Tod“.

Der Effekt des von der Verwaltung vorgelegten Pakets werde viel zu gering sein, kritisierte der Professor. „Zu langsam, zu wenig, so klappt das nicht.“ Mehr Bus und Bahn, mehr Fahrrad, weniger Auto – das sei der einzige Lösungsansatz. Ludwigsburg müsse dem Automobil einen angemessenen Stellenwert im öffentlichen Raum geben, und das heiße: „Unbedingt weniger Autoverkehr als derzeit. Wir dürfen das Auto nicht vergöttern.“

Der OB ist wütend – und schlägt verbal zurück

Der Rundumschlag verfehlte seine Wirkung nicht. Spec versuchte, gelassen zu wirken, aber das misslang: „Diese Ausführungen zeigen, dass auch Akademiker nicht vor Populismus gefeit sind“, sagte der OB in Richtung Vierling und schaute drein, als habe der Grüne gerade seinen Dienstwagen angezündet. „So können wir ja wohl nicht miteinander umgehen.“ Die Luftqualität in Ludwigsburg sei dank verschiedener Maßnahmen in den vergangenen Jahren stetig besser geworden, der Feinstaubwert liege nun innerhalb des Grenzwerts, die Stickoxidbelastung sei ebenfalls zurückgegangen.

Dass Vierling all das in seiner Rede unterschlagen habe, erlaube „tiefe Einblicke“, sagte Spec und riet allen Grünen, ihm doch endlich dankbar zu sein. „Sie haben ausschließlich auf die Schiene und den Bau der Stadtbahn gesetzt – ein Projekt, das erst in 15 Jahren oder später fertig wäre und uns jetzt gar nichts nutzen würde.“ Mit dem von ihm favorisierten Schnellbuskonzept hingegen, so Spec, bestehe immerhin die Chance, kurzfristig zu reagieren. „Dann sagen Sie doch endlich Mea culpa. Das wäre wenigstens ehrlich.“

Der Grünen-Stadtrat lässt sich nicht einschüchtern

Angespannt, so ließe sich die Atmosphäre im Saal wohl am besten umschreiben. Mehrere Stadträte der Grünen, SPD und Ökolinx forderten Spec noch auf, mit dem Wort Populismus doch bitte etwas vorsichtiger umzugehen, was den wenig scherte: „Ich kann Ihnen versprechen: wir werden uns wieder einmischen, wenn Mitglieder dieses Gremiums populistische Tendenzen an den Tag legen.“

Eingeschüchtert ist Vierling offensichtlich nicht. Am Donnerstag schickte er eine E-Mail an den „sehr geehrten Herr Oberbürgermeister“. Darin moniert er freundlich, dass Spec sich im Gemeinderat „kaum auf Inhaltliches eingelassen“ habe. Da er, Vierling, aber davon ausgehe, dass er, Spec, sicherlich am Rat eines Stadtrats interessiert sei, schicke er ihm hiermit seine Rede in Schriftform. „Damit Sie die Anregungen in Ruhe bedenken können.“