Diese Woche muss Verteidigungsminister de Maizière selbst als Zeuge aussagen. Dabei hat er schwierige Fragen zu beantworten. Es geht um den Verdacht der Lüge und die Frage, warum er den Euro Hawk überhaupt gestoppt hat.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Der Untersuchungsausschuss zur Drohnenaffäre startet in die zweite Hälfte. Wer bisher genau zugehört hat, hat schon eine Menge über die Aufklärungsdrohne Euro Hawk gelernt.

 

Wie geht die Arbeit im Ausschuss weiter? Nachdem bisher Fachleute und ehemalige Minister ausgesagt haben, nähern sich die Abgeordneten nun Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU). Den Auftakt machen Zeugen aus der Industrie: der US-Rüstungsriese Northrop Grumman, der die Drohne produziert hat, und die EADS-Tochter Cassidian, von der die Spähtechnologie Isis stammt. Bevor de Maizière am Mittwoch aussagt, sind die Staatssekretäre Rüdiger Wolf, Stéphane Beemelmans und Generalinspekteur Volker Wieker an der Reihe. Sie fungieren als Brandmauer für den Minister. De Maizière steht im Verdacht, dem Parlament die Unwahrheit gesagt zu haben. Er hat behauptet, erst beim Stopp des Euro Hawk von „unlösbaren“ Problemen erfahren zu haben; mehrere Dokumente ziehen dies in Zweifel.

Muss der Verteidigungsminister deswegen zurücktreten? Zwar werden Thomas de Maizière sicher Fehler, vielleicht sogar ein unlauterer Umgang mit der Wahrheit nachgewiesen werden. Ihn direkt der Lüge zu überführen, ist aber schwer. Dass er sein Amt verliert, ist deshalb unwahrscheinlich. Denkbar ist das nur, wenn er am Mittwoch die Nerven verliert und seinen Kopf durch unkluge Aussagen selbst in die Schlinge steckt.

Risiko des Scheitern bestand von Anfang an

Was hat man bisher über die Entwicklung der Drohne dazugelernt? Als die rot-grüne Bundesregierung in den frühen 2000er Jahren die Entwicklung des Euro Hawk in die Wege leitete, war man sich laut dem früheren Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan bewusst, „Neuland“ zu betreten und einen „Technologiesprung“ zu machen. Zwar waren in anderen Streitkräften bereits unbemannte Hubschrauber und Flugzeuge im Einsatz. Aber sie waren wesentlich kleiner als der Euro Hawk, der die Ausmaße eines Verkehrsflugzeugs hat. Man wusste, dass die „Integration der Drohne in den zivilen Luftverkehr“ schwierig werden würde. Das betonten sowohl Schneiderhan, als auch der Exminister Rudolf Scharping (SPD), der Projektleiter Rüdiger Knöpfel und Wolfgang Storz, der frühere Chef der militärischen Zulassungsbehörde (WTD 61).

Es bestand von Anfang an das Risiko des Scheiterns. Dass der Beschluss dennoch gefasst wurde, war kein Geburtsfehler, sondern politischer Wille. 2005 fiel die Entscheidung, fünf Euro Hawks anzuschaffen. Aus Vorsicht wurde aber nicht sofort ein Kaufvertrag über alle fünf Maschinen abgeschlossen. Stattdessen vereinbarte man 2007 – in der Amtszeit von Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) – vertraglich zunächst die Entwicklung des ersten Euro Hawk als „Demonstrator“; das ist eine Art Prototyp. Erst wenn dieser Demonstrator geliefert, getestet und für gut befunden worden wäre, wollte das Verteidigungsministerium über den Kauf der weiteren Drohnen entscheiden. Diese Tests – dabei geht es nur noch um das Aufklärungssystem Isis – werden Ende September abgeschlossen. Die Beschaffung wurde von de Maizière aber bereits im Mai gestoppt, nachdem eine Zeitung von erheblichen Zulassungsproblemen und damit verknüpften Kostensteigerungen berichtet hatte.

Wieso ist die Zulassung der Drohne so schwierig?

Weltweit gibt es keine Großdrohnen, die mit dem Global und dem Euro Hawk vergleichbar wären. Die Firma Northrop Grumman, die die Flugzeuge baut, ist Technologieführer. Laut Wolfgang Storz, dem Exchef der militärischen Zulassungsstelle in Deutschland, hat keine der existierenden Drohnen dieses Typs, die von der US-Armee und von der Nasa genutzt werden, eine reguläre Zulassung. Das gilt auch für den Euro Hawk. Alle Hawks besitzen eine vorläufige Verkehrszulassung – das ist die Voraussetzung dafür, dass sie überhaupt am zivilen Luftverkehr teilnehmen dürfen und testiert ihre Flugsicherheit. Als Einschränkung gilt, dass der Luftraum während ihrer Starts und Landungen gesperrt wird. Nicht nur dem deutschen Euro Hawk, sondern auch den baugleichen US-Maschinen fehlt die militärische „Musterzulassung“. Ursprünglich strebte die US-Armee für ihre Hawks eine Musterzulassung an, ließ diesen Plan aber fallen. Man begnügte sich stattdessen mit einer militärischen Sondererlaubnis, die ein hoher US-General unterschrieb. Das Verteidigungsministerium und die Ämter der Bundeswehr wollten diesen Weg nicht gehen. Weil es nach den Schätzungen von Storz’ Nachfolger Wolfgang Steiger 600 Millionen Euro oder mehr kostet, die für eine Musterzulassung nötigen Technikdokumente zu erstellen, hat de Maizière den Kauf gestoppt. Ist der Euro Hawk damit zwangsläufig gescheitert? „Aus technischer Sicht gibt es keinen Grund, die Beschaffung des Euro Hawk einzustellen“, sagt der Projektleiter Rüdiger Knöpfel. Die Drohne sei gemessen an den Anforderungen der zivilen Behörden verkehrssicher und missionsgerecht nutbar. Detlef Selhausen, Hauptabteilungsleiter für Rüstung im Ministerium, hält den Euro Hawk bisher für einen Erfolg. Er hat wegen der drohenden Kostenexplosion für die Musterzulassung zwar den Ausstieg aus der Beschaffung empfohlen, hält aber die Entwicklung des Prototyps für positiv. „Dreieinhalb von vier Zielen wurden erreicht“ , sagte er im Ausschuss. Allein dass die Musterzulassung nicht gelinge, sieht er als Defizit. Der Zulassungsexperte Wolfgang Storz hat keine Bedenken, den Euro Hawk-Demonstrator weiter zu nutzen. „Aus meiner Sicht kann man ihn nach Afghanistan schicken. Es müsste nur jemand den Mut haben, das zu unterschreiben.“