Erdogans Schwiegersohn zieht als Finanzminister des Landes viel Ärger auf sich. Wie reagiert der Präsident?

Istanbul - Erdogans Schwiegersohn Albayrak ist der unbeliebteste Minister der Türkei. „Wahrlich ein Rekord“, schrieb der türkische Oppositionspolitiker Cihangir Islam diese Woche auf Twitter: „Schwer zu erreichen und kaum zu glauben.“ Islams Lob war purer Spott, denn er bezog sich auf die jüngsten Umfragewerte für Berat Albayrak, den Finanzminister des Landes und Schwiegersohn von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan.

 

Albayrak war in einer Befragung auf einen Zustimmungswert von gerade mal 2,1 Prozent gekommen – auf der Beliebtheitsskala der letzte Platz. Der 41-Jährige wird für die türkische Wirtschaftskrise verantwortlich gemacht und soll auch die Wiederholung der Istanbuler Wahl betrieben haben, die für Erdogans Regierungspartei AKP zur Katastrophe geriet. Lange galt Albayrak als Kronprinz von Erdogan, doch nun wackelt er. Mit Spannung wird in der türkischen Presse darüber spekuliert, ob er bei der anstehenden Kabinettsumbildung seinen Posten behält.

Albayrak schafft es nicht, das Ruder herumzureißen

Albayrak, der in den USA Betriebswirtschaft studiert und nach seiner Heimkehr in die Türkei zunächst beim Konzern Calik gearbeitet hatte, wandte sich dann der Politik zu. Der Einstieg ins Parlament fiel ihm nicht schwer, denn er ist mit Erdogans Tochter Esra verheiratet. Bei der Parlamentswahl 2015 erhielt Albayrak einen sicheren AKP-Listenplatz und wurde kurz darauf zum Energieminister ernannt. Vor einem Jahr stieg er zum Finanzminister auf. Seitdem geht es mit der türkischen Wirtschaft fast konstant nach unten. Daran ist freilich nicht nur Albayrak schuld, er übernahm sein Amt in schwieriger Zeit. Jedoch hat es Albayrak nicht geschafft, das Ruder herumzureißen.

Die Inflation stieg zeitweise auf mehr als 25 Prozent, die Wirtschaft rutschte in die Rezession, die Lira hat seit 2018 gegenüber dem Euro mehr als 30 Prozent an Wert verloren. Ein Auftritt Albayraks vor Investoren in den USA im Frühjahr, bei dem er um neues Vertrauen der Anleger werben wollte, war laut Medienberichten ein Desaster. Bei der kürzlichen Entlassung des türkischen Zentralbankchefs, die als neuer Schlag gegen die Unabhängigkeit der Währungshüter gewertet wurde, zogen Albayrak und Erdogan an einem Strang. Für viele Türken steht Albayrak für das, was falsch läuft in ihrem Land. „Der Schwiegersohn“ wird er im Volksmund nur genannt – weil in Erdogans Präsidialsystem gute Verbindungen nach oben oft wichtiger sind als Fachwissen und Erfahrung.

„Staat und Familie müssen strikt getrennt werden“

Konservative Wähler ärgerten sich auch über Gerüchte in sozialen Medien, die Albayrak eine außereheliche Affäre mit einem Fotomodell nachsagten. AKP-Dissidenten sehen Albayraks Unbeliebtheit beim Fußvolk und bei den Parlamentsabgeordneten der Regierungspartei als Chance. Als der frühere Ministerpräsident Ahmet Davutoglu bei einer Grundsatzrede vor einigen Wochen die politische Rolle von Erdogans Familienangehörigen anprangerte, erhielt er donnernden Applaus. „Staat und Familie müssen strikt getrennt werden“, forderte Davutoglu, der sich von der AKP losgesagt hat. Nach den Wahlniederlagen der AKP in Istanbul und anderen großen Städten wird für die kommenden Wochen fest mit einer Kabinettsumbildung gerechnet. Dass Erdogan seinen Schwiegersohn dabei ganz fallen lässt, ist unwahrscheinlich. Albayraks Rückkehr ins Energieressort sei aber gut vorstellbar, sagt der Journalist Rusen Cakir.