Dry January im Test Kann man durch Alkoholverzicht abnehmen?

Viele Menschen verzichten im Januar auf Alkohol – auch um Gewicht zu verlieren. Foto: imago images/Ikon Images/Marcus Butt

Alkohol soll dick machen. Heißt das im Umkehrschluss, dass ein Verzicht gut für die schlanke Linie ist? Eine Stuttgarter Ernährungsberaterin weiß Rat. [Plus-Archiv]

Seit mehr als sechs Monaten lebe ich jetzt ohne Alkohol und kann sagen: Meine körperliche und mentale Gesundheit hat sich mit Sicherheit zum Besseren verändert. Ich fühle mich ausgeglichener, wacher und konzentrierter. Ein halbes Jahr ohne Kater – das ist ein Segen.

 

In meinem Gewicht schlägt sich das allerdings nicht nieder, soweit ich das ohne Waage beurteilen kann. Nicht, dass ich darauf gewartet hätte – aber ein netter Nebeneffekt wäre es ja gewesen. Schließlich hat man schon vielfach gehört und gelesen: Alkohol würde dick machen, weil viele alkoholische Getränke kalorienreich sind, Alkohol die Fettverbrennung hemmt und Alkoholkonsum Heißhunger auslösen kann.

Die meisten wollen Alkohol fasten

Ich vermute, dass der Ruf des Alkohols als Dickmacher zum Zustandekommen der folgenden Statistik beiträgt: 2021 war Alkohol in allen Altersgruppen auf Platz eins der Dinge, auf die die Befragten in der Fastenzeit am ehesten verzichten würden. Auf Platz zwei lagen Süßigkeiten, die den Ruf des Dickmachers mit dem Alkohol teilen. Viele Menschen scheinen sich also vom Fasten zwischen Aschermittwoch und Karfreitag zu versprechen, Gewicht zu verlieren.

Ist das ein guter Plan? Teresa Bilic, Ernährungsberaterin aus Stuttgart, rät eher davon ab: „Auch das Fasten ist eine Diät, und die meisten Diäten funktionieren nicht.“ Wie bei jeder Diät bestünde auch beim Fasten die Gefahr des Weightcyclings – die fastende Person verliert also Gewicht, nimmt aber nach der Fastenzeit mehr als das verlorene Gewicht wieder zu. „Der Stoffwechsel und der Grundumsatz ändern sich dann mehrmals, und dieses Durcheinander ist Stress für den Körper“, erklärt sie.

Kann man durch Alkoholfasten Gewicht verlieren?

Vom Alkoholfasten im Speziellen rät sie aber nicht pauschal ab. „Das kann eine Chance sein, sich selbst mit seiner Gesundheit mehr in den Mittelpunkt zu stellen, besser auf sich zu hören und mehr für sich selbst zu sorgen“, findet sie. Außerdem weist sie auf die gesundheitsschädigende Wirkung von Alkohol hin, von der mir auch andere Expert:innen bereits berichtet haben. Darauf zu verzichten, wäre sicher gesundheitlich ein Gewinn.

Der Hoffnung, dadurch abzunehmen, erteilt Bilic allerdings eine Absage: „Nur durch den Verzicht auf Alkohol Gewicht zu verlieren, funktioniert nicht.“ Stimmt das? Die Wissenschaft hat keine klare Antwort. Manche Studien stellen einen Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Gewichtszunahme fest, andere sogar einen zur Gewichtsabnahme. Manche finden auch gar keinen Zusammenhang.

„Alkohol ist nur ein Mikroteilchen des Gewichts“

Wichtig zu wissen ist dazu: Ein statistischer Zusammenhang beweist noch lange keine Kausalität. Es könnte auch sein, dass Menschen, die viel trinken, tendenziell mehr unter Leuten sind, mehr nach draußen gehen, somit einen aktiveren Lebensstil haben und daher weniger wiegen als andere. Oder dass Alkoholkonsument:innen auf der anderen Seite tendenziell eher stark gestresst sind und diesen Stress mit Alkohol kompensieren – dann könnte auch der Stress der Auslöser für eine Gewichtszunahme sein.

„Alkohol ist nur ein Mikroteilchen des gesamten Gewichtskomplexes“, erklärt Teresa Bilic. Ihr ist wichtig zu betonen: „Gewicht ist nicht das Resultat von Verhalten.“ Ein Stück weit sei das Gewicht jeder Person genetisch determiniert. Außerdem würde der sozioökonomische Status eine Rolle spielen – arme Menschen seien tendenziell eher mehrgewichtig. „Gewicht ist außerdem abhängig von Stressmanagement, psychischer Gesundheit und Diskriminierung.“ Auch das Darm-Mikrobiom spiele eine Rolle.

Gewicht ist nicht komplett kontrollierbar

Es sei eine Fehlvorstellung, dass das Gewicht einer Person nur das Ergebnis von Ernährung, Bewegung und ein bisschen Willenskraft wäre. Auch die Assoziation von Gewicht und Gesundheit hält sie für falsch. „Ein dicker Mensch ist nicht unbedingt krank, viele haben super Blutwerte, werden aber trotzdem ohne Untersuchung als adipös diagnostiziert“, berichtet sie von ihren Kund:innen. Wenn man die Komplexität von Gewicht berücksichtige, stelle man fest: „Wenn jemand dick ist, ist die Person gar nicht unbedingt faul, ungesund und selber schuld.“

Ich finde: Wenn man es andersherum betrachtet, wird einem erst klar, wie absurd diese Vorstellung eigentlich ist. Bei einer dünnen Person kann man ja auch nicht automatisch darauf schließen, dass sie gesund ist. Trotzdem ist die Assoziation von dick und krank tief in mir verankert – so wie in uns allen. Die Diätkultur und Fettfeindlichkeit unserer Gesellschaft steckt sicherlich auch oft hinter dem Wunsch, Gewicht zu verlieren.

Dünnsein ist kein Garant für Selbstwert

Menschen, die das Alkoholfasten aus diesem Grund in Erwägung ziehen, rät Teresa Bilic daher, sich zu überlegen: „Was verbinde ich mit einer Gewichtsabnahme? Was ist mein Wunsch dahinter? Geht es eigentlich viel mehr um mein Selbstwertgefühl?“ Das Wohlfühlen im eigenen Körper könne auch von innen, aus einem selbst heraus kommen, findet sie. Außerdem sei das Abnehmen dafür längst kein Garant: „Ich habe als Ernährungsberaterin auch Kund:innen, die einem Modemagazin entsprungen sein könnten und sich trotzdem selbst hassen.“

Solange man seine internalisierte Fettfeindlichkeit gegen sich selbst richtet, wird also auch eine Gewichtsabnahme daran wenig ändern. Abgesehen vom Gewicht, sind die gesundheitlichen Vorteile aus meiner Sicht Grund genug, in der Fastenzeit auf Alkohol zu verzichten. Vielleicht kann das auch der Startschuss sein, den eigenen Alkoholkonsum generell zu hinterfragen – und nach Ostern entweder weiterhin darauf zu verzichten oder zumindest die Menge an Alkohol langfristig zu verringern.

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