Daniel Lopes will das Dschungelcamp verlassen. Oder doch nicht? Ein Grundkurs Aufmerksamkeitsökonomie während einer Klassenfahrt.

Stuttgart - Wenn sich die Insassen im Dschungelcamp streiten - und das machen sie oft  - behauptet irgendjemand früher später immer, wirklich immer: "Auf diesen Kindergarten habe ich echt keinen Bock". Das ist jetzt seit sechs Staffeln so. Wer "Ich bin ein Star, holt mich hier raus" guckt, muss deutsche Kindergärten irgendwann für einen Hort der Missgunst, Hinterhältigkeit und der profilneurotischen Choleriker halten. Das ist natürlich Unsinn. Tatsächlich ist das emotionale Gefüge in so einem Dschungelcamp viel näher an einer Klassenfahrt. Sagen wir in der zehnten Klasse. Am Dienstag gab es ein Wiedersehen mit absichtlich vergessenen Typen aus der Schulzeit.

 

Der sensible Aufmerksamkeitsjunkie: Auf Klassenfahrten ist er mindestens einmal verschwunden, aber nicht weit genug weg, um nicht wiedergefunden zu werden. Er bleibt genau so lange in seinem Versteck, bis sich der Suchtrupp (meist zwei engagierte Mädchen in Wollpullovern, eine davon gerne Klassensprecherin) ernsthaft Sorgen macht. Wichtig: in der Herberge müssen Gerüchte über seinen Verbleib entstehen. Küchenpsychologische Schnellschüsse mit den Zutaten "schwere Kindheit" (Scheidungskind), Ausgrenzung ("Vielleicht war das auf der Party von Kevin echt zu krass") und enttäuschte Liebe (die oder keine) sorgen für einen gewissen Alarmismus. Und genau in diesem Moment kommt der sensible Aufmerksamkeitsjunkie zurück. Natürlich mit verheulten Augen. Seine Sympathiewerte erreichen ungeahnte Höhen. Die Mädchen nehmen ihn in den Arm, die Jungs klatschen ab, alles ist wieder gut.

Diesen Moment hatte am Dienstag Daniel Lopes. Nachdem er "Ich bin ein Star, holt mich hier raus" gerufen hatte, blieb er am Ende doch. Mindestens einen der beiden Satzteile wollte dem Mann also offenbar niemand abkaufen. "Danke für eure Liebe!", rief Lopes erleichtert in die Runde. Als wenn es darum ginge. Als Soundtrack bekam Daniel Lopes Musik aus dem Film K-Pax, in dem sich Kevin Spacey für einen Außerirdischen hält - oder einer ist. Herr Lopes sollte sich an dieser Stelle nicht überschätzen.

Die extrovertierte Schönheit: Früher hatte sie überall Einser und trug eine Brille. Aus lauter Angst, für eine Streberin gehalten zu werden, ist sie auf Kontaktlinsen und sehr kurze Röcke umgestiegen. Jetzt halten alle sie für ein Flittchen, aber das ist ihr lieber. Manchmal sagt sie noch vesehentlich vernünftige Sätze. Damit ihre Tarnung nicht auffliegt, hat sie so genannte versaute Sprüche auswendig gelernt. Warum Micaela Schäfer glaubt, mit dieser Masche im Camp erfolgreich werden zu können, muss noch ein Rätsel bleiben. Außerhalb des Dschungels funktioniert das ja schon.

Der böse Hausmeister: Klar, der Hausmeister fährt normalerweise nicht mit auf Klassenfahrt. Aber Vincent Raven hat alles, was man in dieser Rolle braucht. In etwa so wie Hausmeister Willie bei den Simpsons - nur schwirren die Fliegen nicht um ihn herum, die hatte er am Dienstag bei der Dschungelprüfung auf dem Teller. Dass der Mann etwas ekelige Ernährungsgewohnheiten hat, wird auf dem Schulhof schon lange kolportiert. Auf Buschschwein-Sperma wäre allerdings niemand gekommen. Eine Portion Homophobie und Frauenfeindlichkeit ("Frauen in Führungspositionen muss man auf die Finger schauen") und Nikotinsucht in einem bedenklichen Ausmaß runden das Gesamtpaket ab.

Die burschikose Rebellin: Sie trägt zu wenig Punk in sich, um die Schule zu schwänzen. Es reicht nur für ein paar CDs der Toten Hosen und Zitaten der Mädchenband Tic Tac Toe ("Ich find' dich Scheiße"). Apropos: Verdauung war bei Jazzy am Dienstag ein großes Thema. In keiner anderen Fernsehsendung wird Verstopfung mit Radiohead vertont. Allein dafür muss man das Dschungelcamp schon lieben.

Die schüchterne Neue: Radost Bokel wirkt seit fünf Tagen so, als sei sie eben erst angekommen. Immer ein bisschen zu unscheinbar, teilnahmslos, egal. Auch als Teamchefin blieb sie farblos. Den einzigen Satz, den man aus ihrer Amtszeit im Gedächtnis halten wird: "Bitte seid nicht so egoistisch und geht alleine auf die Toilette."

Der biertrinkende Rocker: Geht man in einer Kleinstadt zur Schule, sind Typen wie Martin Kesici der Inbegriff von harten Kerlen. Laute Gitarrenmusik, Bart, Tattoo, Bier. Ein Rollenmodell für alle, die sich auf der Klassenfahrt mal so richtig daneben benehmen wollen. Deshalb hatte der Mann auch kein Problem damit, gleich zuzugeben, sich verbotenerweise im Wald erleichtert zu haben statt in der Dschungeltoilette. Gehört zum Image. Seinem Brother in Crime Ailton fiel das schon schwerer. Doch das Wildpinkeln hielt der Ex-Fußballprofi im O-Ton nicht "Für eine Dramatik-Situation."

Die schrullige Klassenlehrerin: Man hat Schüler-Sätze wie "Oh neee, nicht die Leiß!" regelrecht im Ohr, wenn man sich vorstellt, sie könnte die begleitende Lehrerin sein. Vor der Klassenfahrt hat sie sich vorgenommen, alle unter den Tisch zu trinken. Aber das sagt sie den Eltern natürlich nicht. Am nächsten Tag ist sie dann schlecht gelaunt, meckert über herumliegende T-Shirts und hat Probleme, ihr Zimmer wiederzufinden. Fast möchte man ihr eine Frühverrentung wünschen.

Mit wachsenden Augenringen und ihren unsäglichen Zickereien ist Ramona Leiß Aufmerksamkeit gewiss. Denn darum geht es ja im Camp. Das allerdings, muss man sagen, hatten die Bewohner in der vergangenen Staffel noch ein bisschen besser drauf.