Zwar ist das Format „Deutschland sucht den Superstar“ an sein natürliches Ende gekommen – doch RTL probiert es noch mal mit „DSDS Kids“.

Stuttgart - Es war ein Moment, wie man ihn im Fernsehen noch nicht erlebt hat. Dieter Bohlen sank auf die Knie. Als sich der Pop-Titan noch Pop-Titan nennen durfte, hätte es dafür nur eine mögliche Erklärung gegeben: Hexenschuss. Doch der Boom der Castingshows ist vorbei, die Republik besenrein leer gefegt. Ob Superkanzler oder Superhunde, Superköche oder superresistente Talentallergiker, sie alle hat das Fernsehen schon als Schwenkfutter an der Unterhaltungsfront verheizt.

 

Und als hätte es noch eines Beweises dafür bedurft, dass sich das Format endgültig abgenutzt hat, rekrutierte RTL jetzt auch noch Kinder, Pardon, Kids. Der Unterschied ist wichtig, denn Kinder klingt ein bisschen nach Kakao und Keksen, und diese Kids sind keine Kinder mehr, sondern kleine Erwachsene. Marketingexperten in eigener Sache, die genau wissen, was man machen muss, damit die Zuschauer für sie anrufen, damit sie ins Finale kommen: den imaginären Telefonhörer immer und immer wieder ans Ohr halten. 38 000 sollen sich beworben haben, mehr als für jede reguläre DSDS-Staffel. Am Samstag rüttelten die ersten zehn von ihnen an der Tür der neuen Talentschuppen-Attrappe von RTL.

Alysha, acht Jahre alt, zwang Dieter Bohlen auf die Knie

Und ausgerechnet der jüngsten Teilnehmerin gelang etwas, was noch niemand vor ihr geschafft hatte: Alysha, acht Jahre alt, rosa Kleidchen und rosa Schleife im Haar, zwang Dieter Bohlen auf die Knie. „Waaahnsinn!“, entfuhr es ihm, als sie Keshas Popkracher „Tic-Toc“ „performt“ hatte, wie es im Casting-Jargon heißt. „Könnt ihr mir die einpacken, so als Geschenk?“ Und es sah fast ein bisschen aus, als würde er, der Casting-Gott, beten.

Dieter-Dämmerung bei RTL. Gegen die Kids hatte Bohlen keine Chance. Messerscharfe Spitzen gegen minderjährige Kandidaten verbieten sich schließlich von alleine, wenn sich zahnbespangte Jungs wie Julius, 13, mit ihrer Gitarre zum ersten Mal auf die Bühne trauen oder ein neunjähriger Wonneproppen namens Skyla verkündet: „Ich denke, ich bin eine Rampensau.“

In dieser sarkasmusfreien Zone regierte der Spaß an der Performance, nicht die Schadenfreude über schiefe Töne, groteske Bühnenfummel oder andere Signale, die darauf schließen lassen, dass die Kluft zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung größer ist, als die Polizei erlaubt. Hier wird jeder Kandidat abgeknutscht, egal, wie oft er den Ton getroffen hat. Die beiden Supermamas in der Jury, Michelle Hunziker und Dana Schweiger, erfüllten ihren Job mit Hingabe. Neben ihnen wirkte Bohlen fehl am Platz. Ausnahmsweise regierte hier der Konsens, nicht die Konfrontation. So führte sich die Castingshow selber ad absurdum. Den Pop-Titan auf Kinder loszulassen, das war, als würde man der Bundeskanzlerin ein Akkordeon umhängen und als Alleinunterhalterin zum Fest der Volksmusik abkommandieren: Mission impossible! Nur einmal machte Bohlen Anstalten, sich aus dem Korsett seiner neuen Rolle zu befreien. Da wies er ein zwölfjähriges Mädchen namens Gala darauf hin, dass es sich bei ihrer Adele-Ballade ein bisschen „verdudelt“ habe.

Die Kinderschützer brauchen sich nicht aufzuregen

Und die Kinder? Wenigstens die Kids versöhnten den Zuschauer am Ende mit einer honigsüßen Show aus dem Coloneum. Besorgt hatten Kinderschützer im Vorfeld gefragt, ob sich Eltern strafbar machten, wenn sie ihren Nachwuchs zu RTL ließen, in die Höhle des Bohlen. Die Angst war unbegründet. Perfekt dressierte Michael-Jackson-Klone, wie sie RTL noch in den neunziger Jahren in der Mini-Playback-Show vorgeführt hatte, blieben dem Zuschauer erspart. Keines der Kinder erweckte den Eindruck, als hätten die Eltern es unter hervorgehaltener Pistole zwingen müssen, sich für Super-Dieter zum Affen zu machen. Es war genau umgekehrt. Man kann sich darüber streiten, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen ist.