Die DTM geht nach dem angekündigten Aus von Mercedes Ende 2018 einer ungewissen Zukunft entgegen. DTM-Chef Gerhard Berger glaubt fest daran, dass die Serie auch danach weiter bestehen kann.

Sport: Jürgen Kemmner (jük)

Stuttgart - Es gab schon wesentlich angenehmere Tage für Gerhard Berger als die letzten des Juli 2017. Nach dem am Montagabend reichlich überraschend verkündeten Ausstieg von Mercedes aus der Deutschen Tourenwagen-Masters-Serie (DTM) zum Saisonende 2018 muss der Chef der Rennserie die hinterlassenen Scherben behutsam aufsammeln und mit den verbleibenen beiden Herstellern Audi und BMW das zu kitten, was zu kitten ist. Und das ist nicht wenig. Der 57 Jahre alte Österreicher muss die Serie auf ein neues, tragfähiges Fundament stellen und er muss eine neuen TV-Vertrag aushandeln. Immerhin ist Berger überzeugt, dass es gelingen kann – als ehemaliger Formel-1-Pilot hat er schon ganz andere knifflige Situationen unbeschadet gemeistert. DTM-Chef Gerhard Berger über . . .

 

. . . die Tage nach der schockierenden Nachricht vom Ausstieg von Mercedes: Ich hatte zwei unruhige Nächte hinter mir. Ich habe wenig geschlafen, viel nachgedacht und überlegt. Es ist das Beste, bei so einem schwierigen Thema ein paarmal darüber zu schlafen, denn man muss die ersten Emotionen verrauchen lassen – um dann nüchtern an die Sache heranzugehen und sich zu fragen: Wie bewertet man die Situation und wie geht es jetzt weiter?

. . . die Zusammenarbeit mit Mercedes: Natürlich war ich sehr überrascht von der Nachricht, trotzdem muss man immer versuchen, die Brille des anderen aufzusetzen, um die Beweggründe zu erkennen. Ich kann nur sagen, in diesen drei Monaten, in denen ich bei der DTM bin, war die Zusammenarbeit mit Mercedes ganz besonders gut. Das Team war stets kompromissfähig, kompetent und ist vor allem konstruktiv an die Themen, die wir diskutiert haben, herangegangen. Für mich war Mercedes eine wahnsinnige Stütze. Ich habe aber schon vergangene Woche mitbekommen, dass es bei Mercedes durchaus kontroverse Diskussionen zwischen Marketing und anderen Fachstellen gegeben hat – und dass überlegt wird, zum Hauptprojekt Formel 1 ein weiteres, die Formel E, dazu zu nehmen. Mir war klar, dass Mercedes nicht alle diskutierten Projekte parallel würde stemmen können.

. . . die möglichen Ursachen der Entscheidung von Mercedes: In meiner optimistischen Einstellung war ich aber davon überzeugt, dass die DTM einer neuen Ausrichtung zum Opfer fallen würde. Aber ok, sie hat das Rennen verloren, das respektiere ich. Ich glaube nicht, dass die Entscheidung deshalb so gefallen ist, weil es in der DTM zuletzt Diskussionen über das Reglement gab – aus meiner Sicht sind es Marketing-Gründe, es ging darum, die vermeintlich beste Plattform zu finden, um die Marke zu präsentieren. Es war fair von Mercedes, uns eineinhalb Jahre vorher zu informieren, so dass wir einen ausreichenden Vorlauf haben, die DTM für die Zukunft aufzustellen.

. . . die nächsten Schritte mit den verbliebenen herstellern Audi und BMW: Die Nachricht wurde im Rahmen einer ohnehin angesetzten Telefonkonferenz mitgeteilt, es war schon ein Schock. Jeder hat diese Nachricht für sich aufgenommen, jeder wird es für sich bewerten und wir werden gemeinsam überlegen, wie es weitergehen kann. Es wäre wirklich nicht sinnvoll, innerhalb von fünf Minuten den Versuch zu unternehmen, zu besprechen, wo die Reise nun hingeht. Wir alle müssen das erst mal ein paar Tage oder eher noch zwei, drei Wochen sacken lassen, um diese neue Situation umfassend bewerten zu können.

. . . eine DTM mit zwei Herstellern: Die Vergangenheit hat ja gezeigt, dass es durchaus übergangsweise möglich ist, wenn die zwei Hersteller an einem Strang ziehen und beide die Situation meistern wollen. Ein Erfolg hängt also unter anderem von den beiden ab. Ich habe selbstverständlich vor meinem Eintritt in die DTM mit allen drei Herstellern Gespräche geführt, denn es war für mich auch wichtig zu wissen, dass alle drei diese Serie langfristig fortführen wollen. Eigentlich wären vier und fünf Marken die richtige Lösung, das war mir vom ersten Tag an klar. Zwei Marken, das kann übergangsweise funktionieren – vier oder fünf wäre die richtige Mischung. Aber einen Namen eines möglichen Einsteigers kann ich in diesem Moment nicht aus dem Hut zaubern.

. . . den zu verlängernden Fernsehvertrag für die kommenden Jahre: Mit unserem TV-Partner ARD gab es nach der Mercedes-Verkündung noch keine Gespräche. Die laufende Ausschreibung der TV-Rechte adressiert an verschiedene Anbieter und Medien. Natürlich ist die aktuelle Situation nicht zum Vorteil für unsere Verhandlungen. Aber wir setzen auf das, was wir haben, denn 2018 sind ja noch alle drei Hersteller vertraglich gebunden. Das hat Mercedes auch bestätigt. Aber uns ist freilich klar, dass ein TV-Sender nicht nur an ein Jahr, sondern an mehrere Jahre denkt, wenn es um den Rechteerwerb geht. Bevor wir nicht wissen, wie es nach 2018 weitergeht, ergibt es nicht viel Sinn, in konkrete Verhandlungen mit Interessenten einzusteigen. Zunächst müssen wir mit BMW, Audi und potenziellen Kandidaten über die Zukunft reden. . . . das Gefühl, den Einstieg als DTM-Chef vielleicht schon bereut zu haben:

Zum einen hat mich diese Aufgabe in den zurückliegenden vier Monaten sehr erfüllt, zum anderen kommen jetzt natürlich sehr gemischte Gefühle auf. Ich habe diese Aufgabe angenommen, weil ich vom ersten Tag an dieses Thema gemeinsam mit den Herstellern sowie dem ITR-Team stemmen wollte, um die DTM in eine gute Zukunft zu führen. Und ich glaube, dass wir in diesen Monaten sehr viel Positives bewirkt haben, ich finde, dass die DTM zuletzt sogar Rückenwind bekommen hat.

. . . die Chancen eines Neustarts der DTM: Der Einblick in diesen vergangenen Monaten hat mir aufgezeigt, welches Potenzial die DTM besitzt und wie viel Potenzial noch brachliegt. Ich habe intensiver als in den Vorgesprächen erkennen können, wie viel Gehalt in der DTM steckt und zwar für die ITR, die Hersteller und die Fans. Wenn das nun infrage gestellt wird, habe ich natürlich gemischte Gefühle. Aber ich werde nicht aufgeben. Ich bin Sportler und bin es gewohnt, nach Niederlagen aufzustehen und auch bei Gegenwind zu kämpfen.