Feierlich empfängt die Duale Hochschule ihren neuen Präsidenten. Doch die alten Probleme dürften ihn schnell einholen: Noch ist nicht einmal das Ausmaß der akuten Finanzkrise bekannt, geschweige denn eine Lösung in Sicht.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Von der akuten Finanzkrise dürfte kaum die Rede sein, wenn die Duale Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) am kommenden Montag ihren Führungswechsel zelebriert. Der bisherige Präsident, Reinhold Geilsdörfer, geht, der neue, Arnold van Zyl, kommt – das wird in den Räumen der IHK feierlich begangen: mit einem Sektempfang, Ansprachen von Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) und dem Aufsichtsratsvorsitzenden Wilfried Porth sowie einem Rahmenprogramm mit Musik und Artistik. Allenthalben dürfte das „Erfolgsmodell“ der DHBW gelobt werden, die Theorie und Praxis aufs Schönste verbinde und Absolventen mit besten Berufsaussichten entlasse, Probleme werden wohl höchstens in den Zwischentönen anklingen.

 

Abseits der Öffentlichkeit ist die Hochschule mit Zentrale in Stuttgart und neun Filialen im Land unverändert stark mit der Finanzkrise beschäftigt, die im Herbst 2015 überraschend publik wurde. Der Oberkontrolleur Porth – im Hauptberuf Personalvorstand bei Daimler – hat sie inzwischen gleichsam zur Chefsache gemacht: „Aufgrund der öffentlichen Berichterstattung“ setzte der Aufsichtsrat einen Sonderausschuss ein, der sich vom Präsidium berichten lässt und die mittelfristige Budgetplanung begleitet. Porth begegnet damit auch jenen zunehmend kritischen Stimmen, die fragen, ob er als viel beschäftigter Topmanager überhaupt genug Zeit für das Ehrenamt habe. Es genüge jedenfalls nicht, die DHBW-Aufgaben weitgehend an Mitarbeiter zu delegieren.

Bauer fürchtet Kratzer am Hochschulpakt

Etliche Wochen nach dem Bekanntwerden der Finanzkrise ist deren Ausmaß immer noch unklar. Selbst Wissenschaftsministerin Bauer musste passen, als sie vorige Woche vor Journalisten danach gefragt wurde: Man sei in „engen Gesprächen“ mit der Hochschule, um „die Dimension der Probleme zu beziffern“; in Kürze hoffe sie mehr zu wissen. Der Aufsichtsrat habe das Thema auf der Agenda, Gegenmaßnahmen würden derzeit erarbeitet. Eines wusste die Grünen-Ressortchefin aber schon vorab: Sie sehe keine Krise, „die die DHBW in ihrer Qualität bedroht.“

Mitten im Wahlkampf kommen die Probleme für Bauer zur Unzeit. Mit ihrem viel gerühmten Hochschulfinanzierungsvertrag schien auch die Duale Hochschule ein solides Fundament zu erhalten. So jedenfalls stellten es Geldgeber und -Empfänger zunächst übereinstimmend dar. Doch inzwischen ist umstritten, ob die angeblich zusätzlichen Millionen tatsächlich ausreichen – oder ob damit nur eine seit Jahren bestehende, aber bisher überdeckte Unterfinanzierung zementiert wurde. Seit Monaten ist jedenfalls das Geld knapp: In der Zentrale und den meisten Standorten gilt ein strikter Sparkurs, zum Teil wurden sogar sofortige Ausgabesperren erlassen.

Die Kanzlerin bleibt in der Deckung

Weitgehend unstrittig ist zumindest eine Ursache der Engpässe: Im Hochgefühl des (vermeintlichen) Geldsegens hat die Duale Hochschule, die während ihres rasanten Wachstums vor allem auf befristet Beschäftigte setzte, zu viele feste Stellen geschaffen – trotz einer klaren Warnung des Ministeriums. Nicht ausreichend bedacht wurde, dass diese deutlich teurer sind. Nun stehen unpopuläre Maßnahmen an: Zeitverträge könnten „nicht in vollem Umfang entfristet werden“, sagt die DHBW, selbst Kündigungen, hört man, erscheinen nicht mehr ausgeschlossen. Wie es zu der „Fehlsteuerung im Haushaltsmanagement“ (Bauer) kam, ist rätselhaft. Der allenthalben hochgeschätzten Kanzlerin Gisela Meister-Scheufelen hätte das eigentlich nicht passieren dürfen, wundern sich Insider. Mit Rücksicht auf ihre politischen Ambitionen wird die CDU-Frau aber aus der Schusslinie genommen.

Im Fokus steht zudem das Präsidium in Stuttgart, dessen Ausbau an den Standorten im Land schon länger argwöhnisch beäugt wurde. Kritiker sprechen von einem „Wasserkopf“, selbst die Ministerin monierte die „große Anzahl zentraler Vorhaben“. Das überaus vertrauensvolle Verhältnis zwischen ihr und dem DHBW-Präsidenten Geilsdörfer ist seither nicht mehr ungetrübt.

Mehr Geld oder nicht – das ist die Kernfrage

Derzeit wird austariert, welche Sparbeiträge die Zentrale und die Filialen liefern müssen. Die Studienakademien könnten „eigene Schwerpunkte setzen“, man achte jedoch auf eine ausgewogene Ausstattung, sagt eine DHBW-Sprecherin. Wie dort kämen auch beim Präsidium alle Projekte auf den Prüfstand; nicht jedes werde am Ende realisiert. Bei einer Sitzung kurz vor Weihnachten erhielten die Rektoren den Auftrag, ihren jeweiligen Finanzbedarf zu ermitteln – und dem Vernehmen nach zugleich Vorgaben dafür. Schriftliches wurde bei dem Treffen offenbar strikt vermieden.

Am Ende wird es um die Frage gehen, ob die Duale Hochschule ihre Qualität ohne zusätzliche Mittel halten kann. Wissenschaftsministerin Bauer ist weiterhin nicht gewillt, auf den Hochschulpakt weitere Millionen draufzusatteln; die DHBW müsse mit dem Geld auskommen. Offiziell sagt die Hochschulsprecherin denn auch, die „zur Verfügung stehenden Finanzmittel sichern eine Finanzierung der DHBW.“

Intern aber mehren sich die Stimmen, die das anders sehen: Ohne weiteres Geld – mal werden 10, mal 25 Millionen genannt – sei das Erfolgsmodell DHBW gefährdet. Wenn wegen Qualitätsproblemen die ersten „dualen Partner“ – Unternehmen und Institutionen – absprängen, könne eine verhängnisvolle Kettenreaktion einsetzen.

Die Feierstunde zu seiner Einsetzung dürfte der neue DHBW-Präsident van Zyl noch genießen können. Dann aber werden die Probleme bald auf ihn einstürmen.