Duale Hochschule in Stuttgart Das Hebammen-Studium ist hart umkämpft

Jennifer Beer-Schilling ist Hebamme mit Bachelorabschluss – und liebt die Arbeit im Kreißsaal. Foto: Klinikverbund Südwest

Jennifer Beer-Schilling gehört zum ersten Jahrgang an Hebammen, die an der Dualen Hochschule ein Bachelor-Studium draufgesetzt hat. Beim Klinikum Stuttgart als dualem Partner ist die Nachfrage groß: 700 Bewerberinnen wollen Hebammenwissenschaften studieren samt Berufsabschluss – zehn Plätze gibt es dort.

Stuttgart - Nicht nur in Stuttgart können sich werdende Mütter glücklich schätzen, wenn sie sich eine Hebamme sichern können. Denn die sind knapp. Und dies, obgleich es an Interessentinnen für diesen Beruf seit Jahrzehnten nicht mangelt. Im Gegenteil. Allein die Hebammenschule des Klinikums Stuttgart kann sich jedes Jahr aus 1000 Bewerberinnen die Besten für ihre 25 Ausbildungsplätze aussuchen. Doch damit wird spätestens im Jahr 2023 Schluss sein. Denn von da an kann man auch in Deutschland nur noch mit StudiumHebamme werden. Der Hebammenverband begrüßt das. Denn das eigenständige Arbeiten der Hebammen habe zugenommen, und EU-weit ist eine Hochschulausbildung längst Standard.

 

Jennifer Beer-Schilling hat als berufserfahrene Hebamme die Möglichkeit genutzt, gleich im ersten Jahrgang an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) in Stuttgart ihren Bachelor draufzusetzen, der dort seit 2018 angeboten wird – berufsintegrierend.

„Die drei Jahre Bachelorstudium waren eine Herausforderung“

„Ich hab immer noch Lust am Lernen“, sagt die 47-Jährige, trotz ihrer drei Buben im Alter von 17 und 19 Jahren. Nach 22 Jahren im gleichen Kreißsaal – in der Frauenklinik Böblingen, die inzwischen zum Klinikverbund Südwest gehört – wollte sie fachlich „richtig in die Tiefe gehen“. Etwa auch mal „wissenschaftlich hinterfragen, ob es in Ordnung ist, routinemäßig bei Geburten einen Dammschnitt zu machen“. Beim Studium habe sie dafür eine systematische Herangehensweise gelernt. Aber sie räumt auch ein: „Die drei Jahre waren eine Herausforderung.“ Denn sie habe ja zugleich zu 50 Prozent in der Klinik gearbeitet, zu 20 Prozent freiberuflich. Und, ja, es habe beim Studium auch Tiefpunkte gegeben, nicht nur bei ihr. Sie habe mit 31 Kommilitoninnen angefangen – „zum Schluss waren wir 24“, so Beer-Schilling. „Das war ein Pionierstudiengang. Anderswo hätte ich 10 000 Euro investieren müssen – an der DHBW war das so auch finanziell für mich gut machbar.“

Ein Masterstudium für Hebammen gibt es noch nicht

Jetzt, da sie ihren Bachelorabschluss in der Tasche hat, sagt sie: „Ich hätte gern noch weiterstudiert.“ Aber ein Masterstudium für Hebammen gibt es in Baden-Württemberg bisher noch nicht. Mittlerweile arbeitet Jennifer Beer-Schilling als Fachbereichsleiterin bei der Hebammenausbildung an der Akademie für Gesundheitsberufe, die am Klinikverbund Südwest angesiedelt ist. Dort sei sie für die berufspraktischen Angebote des Hebammenstudiums zuständig und plane die praktischen Einsätze. Durch die Tätigkeit sei sie zwar finanziell etwas höher eingestuft, aber durch den Wegfall des Schichtdienstes mache das keinen großen Unterschied. „Im Kreißsaal hätte sich an der Bezahlung nichts geändert“, sagt Beer-Schilling. Bachelor oder nicht, das sei diesbezüglich egal. „Ich hoffe, dass die Akademisierung auch die Bezahlung für alle Hebammen verändert.“

Bei der Höhergruppierung müssen sich studierte Hebammen noch gedulden

An der DHBW sieht man diesen Punkt eher gelassen. Elisabeth Holoch, Studiengangleiterin der Angewandten Gesundheits- und Pflegewissenschaften und Prodekanin Gesundheit, sagt: „Da müssen sich die Hebammen noch ein bisschen gedulden.“ Im Übrigen sei die Eingruppierung „Verhandlungssache – da müssen die Kliniken eben nachziehen“. Neue Aufgabenbereiche zu definieren, auch in der Abgrenzung zum Arzt, das habe auch in der Pflege lang gedauert, so Holoch. Dennoch sehe sie „eine Chance im Studium“. Denn somit werde sich die Finanzierungsgrundlage ändern. Bisher werden die Pflege- und Hebammenschulen über die Kranken- und Pflegekassen finanziert – „das ist der Flaschenhals“, sagt Holoch.

Obwohl sich der finanzielle Nutzen nach dem Studium für gelernte Hebammen bisher in Grenzen hält, beginnen jedes Wintersemester 30 Studienanfänger an der DHBW Stuttgart ihr berufsintegrierendes Studium. „Alle, die das wollten, haben auch einen Studienplatz bekommen“, so Holoch. Anders sieht es beim ausbildungsintegrierenden Bachelorstudium aus, das es seit 2017 gibt. Dabei werden Ausbildung und Studium in vier Jahren abgeschlossen, wobei das Studium erst nach dem ersten Ausbildungsjahr beginnt. Die Absolventen haben Berufsabschluss und Bachelor in der Tasche. Allein beim Klinikum Stuttgart interessieren sich jedes Jahr rund 700 Bewerberinnen für die zehn Studienplätze, die der Duale Partner in der Landeshauptstadt anbietet. Denn beim dualen Studium läuft die Bewerbung über die Dualen Partner, nicht über die Hochschule. In ganz Baden-Württemberg habe man 30 Kliniken als Duale Partner. In Stuttgart habe sich die Nachfrage nach Studienplätzen seit 2019 fast verdoppelt, auf nunmehr 54, berichtet Holoch.

Das Klinikum Stuttgart vergibt die Studienplätze erst nach der Probezeit

Beim Klinikum Stuttgart werden die Studienplätze erst nach der Probezeit vergeben, gute Schulleistungen allein reichen nicht. Das weiß auch Beer-Schilling. Am besten sei es, einschlägige Praktika gemacht zu haben – „am besten in der Geburtshilfe und bei Freiberuflern“, meint sie. „Denn für diesen Beruf braucht man Leidenschaft, man muss Nähe und Intimität aushalten können, zupackend sein, aber auch dem Paar die Bühne überlassen und sich zurück.

Geburtshilfe wird akademisch

Rechtslage Von 2023 an kann man Hebamme nur noch über ein Studium werden. Hintergrund sind die Anforderungen der EU, die ein vergleichbares Mindestniveau der Ausbildungen in den Mitgliedsländern gewährleisten will und eine zwölfjährige allgemeine Schulbildung für die Ausbildung als Hebamme voraussetzt. Klassisch ausgebildete Hebammen aus Deutschland gelten innerhalb der EU als schlechter qualifiziert. Das Hebammengesetz in Baden-Württemberg wurde entsprechend angepasst.

Finanzierung Mit der vollständigen Überführung der Hebammenausbildung an die Hochschulen wird ein Systemwechsel stattfinden. Nicht mehr der Bund beziehungsweise die Krankenkassen, sondern die Länder sind dann für die Finanzierung der Hochschulen und ihrer Hebammenstudiengänge zuständig.

Duale Hochschule
Der Bachelorstudiengang Angewandte Hebammenwissenschaften-Hebammenkunde, der seit 2017 ausbildungsintegrierend angeboten wird (in vier Jahren Abschluss als Hebamme und als Bachelor), wird ab Oktober 2021 primärqualifizierend angeboten. Das bedeutet, eine Verzahnung mit der Ausbildung ist nicht mehr nötig, Hebammen werden dann ausschließlich an der Hochschule ausgebildet. Bereits ausgebildete Hebammen können weiterhin den berufsintegrierenden Bachelorstudiengang belegen.

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