Ist die DHBW gar keine richtige Hochschule? Zweifel daran nährt eine rechtliche Expertise für das Ressort von Theresia Bauer. Führung und Mitarbeiter der Dualen Hochschule sind empört, der Senat zeigt sich „sehr befremdet“.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - An der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) herrschen Unverständnis und Empörung über Wissenschaftsministerin Theresia Bauer. Die größte Hochschule im Land sieht sich durch eine Stellungnahme herabgewürdigt, welche die Grünen-Politikerin in einem Rechtsstreit vor dem Bundesverfassungsgericht abgeben lassen hat. Mit einer Beschwerde wehren sich mehrere DHBW-Professoren dort gegen gesetzliche Regeln für die Leitungsstrukturen, die die Wissenschaftsfreiheit nicht ausreichend gewährleisteten. Im Auftrag des Landes erwidert der Freiburger Hochschulrechtler Thomas Würtenberger im Kern, die Duale Hochschule könne nicht das gleiche Maß an Wissenschaftsfreiheit beanspruchen wie die Universitäten und die Hochschulen für angewandte Wissenschaften. Dies begründet er mit dem geringeren Stellenwert der Forschung an der DHBW.

 

Forschung nur „in der Freizeit“?

Mehrere Passagen aus der unserer Zeitung vorliegenden „Äußerung der Landesregierung“ haben an der Hochschule schwerste Irritationen bis hin zum Entsetzen ausgelöst. So schreibt Würtenberger von einer „klaren Hierarchie der den Hochschulen obliegenden Forschungsaufgaben“. Die DHBW stehe „am Ende der Skala“, da sie laut Gesetz nur in Kooperation mit den Ausbildungsstätten forschen solle. Sie sei „keine Institution eines freien Wissenschaftsbetriebes in einem umfassenden Sinn“, sondern „fast allein eine ,Lehrhochschule‘“. Natürlich könnten die dortigen Wissenschaftler jenseits des engen Forschungsauftrages forschen. Dabei würde es sich allerdings um „Forschung in der Freizeit“ handeln, für die „weder Dienstzeiten noch Landesmittel zur Verfügung stehen“. Seine Argumentation untermauert Würtenberger auch damit, dass der DHBW im Landeshaushalt „nur sehr geringe Forschungsmittel zugewiesen“ würden. Dies relativiere auch die umstrittene Kompetenz des Rektorates: „Denn wo es nichts zu verteilen gibt, läuft eine Verteilungskompetenz bekanntlich ins Leere.“ Fazit des Professors: Das „beschränkte Forschungsprofil“ führe dazu, dass beim Schutz der Wissenschaftsfreiheit „andere Maßstäbe“ als für Universitäten und Fachhochschulen gälten. Bei der DHBW stoßen diese Feststellungen auf breiten Protest – umso mehr, als Bauer Co-Chefin des Aufsichtsrates ist.

Der Senat äußerte sich in einer Stellungnahme gegenüber dem Ministerium „sehr befremdet“ darüber. Es gebe zwar unterschiedliche Arten, aber „keine unterschiedlichen Wertigkeiten von Hochschulen“, heißt es darin. Die „Vorstellung hierarchisch gestaffelter Grade von Wissenschaftsfreiheit“ teile man daher aus guten Gründen nicht, sagte ein Sprecher. Die DHBW bewege sich „unzweifelhaft auf Augenhöhe mit anderen Hochschularten“. Er verwies auf den gesetzlichen Forschungsauftrag und die wachsenden Forschungsaktivitäten – mit hochmotivierten Forschern, eigenen Förderlinien und steigenden Drittmitteln. Diese Positionen habe der DHBW-Präsident Arnold van Zyl intern und im Aufsichtsrat klar vertreten. Bauer soll bei der Sitzung im Dezember unter erheblichen Druck geraten sein.

Verband der Mitarbeiter ist alarmiert

Auch der Verband der DHBW-Mitarbeiter zeigte sich über die Stellungnahme Würtenbergers alarmiert. In einem Rundschreiben übte er scharfe Kritik an den Äußerungen, die teils „fast schon höhnisch“ seien. Das Land handele widersprüchlich, wenn es die Berufsakademien erst zur Hochschule mache, dann aber deren Forschungsauftrag bestreite; offenbar wolle es die Mittel dafür „grenzwertig niedrig“ halten. Tatsächlich spiele die Forschung an der DHBW eine wachsende Rolle, auch bei Besetzungen und Zulagen. Bei der Berufung van Zyls war besonders dessen Erfahrung als Forscher ins Gewicht gefallen. Die Verbandsspitze fürchtet nun „eine Reihe negativer Auswirkungen“ für die Hochschule. Für Studierende, Professoren und Unternehmen könne sie weniger attraktiv erscheinen, ein DHBW-Abschluss könnte als „Hochschulabschluss light“ gelten.

Bauers Sprecher weist Kritik zurück

Ein Sprecher des Wissenschaftsministeriums wies Kritik und Bedenken als unbegründet zurück. Die vom Verband gerügten Aussagen seien teils aus dem Zusammenhang gerissen oder unzulässig verkürzt. Mit dem Forschen „in der Freizeit“ sei etwa gemeint, dass die Professoren, die keine geregelte Dienstzeit hätten, zuvor ihre Lehrverpflichtungen erfüllen müssten. Das Land bekenne sich zu einer differenzierten Hochschullandschaft, in der es „gerade keine vertikale Rangordnung“ gebe. Aus den verschiedenen Konzepten ergäben sich „unterschiedliche Reichweiten der Wissenschaftsfreiheit“.

Den Forschungsauftrag der DHBW stelle man mitnichten in Frage, betonte der Sprecher Bauers; vielmehr fördere man die Forschung dort gezielt. An der Darstellung gegenüber Karlsruhe halte das Land fest; die Richter müssten entscheiden, ob sie dieser Rechtsauffassung folgten oder jener der Beschwerdeführer. Der Verfasser Würtenberger wollte sich nicht äußern.