Wenn private Abschleppfirmen auf privaten Parkplätzen vermeintliche Falschparker abschleppen, fühlt sich die Polizei meist nicht zuständig. Das ändert sich nun.

Lokales: Wolf-Dieter Obst (wdo)

Stuttgart - Der Verdacht gegen dubiose Abschlepp-Sheriffs, die womöglich rechtswidrig auf Privatparkplätzen nahe dem Pragsattel in Feuerbach Autos an den Haken genommen haben, nimmt immer größere Dimensionen an. Zunehmend melden sich Betroffene, seit einer Woche haben die Polizeireviere sogar spezielle Anzeigenformulare vorrätig. „Dieses Hinweisaufnahmeblatt enthält einen Fragenkatalog zum Fall und wird dann intern an das zuständige Kripo-Dezernat weitergeleitet“, sagt Polizeisprecher Stefan Keilbach.

 

Bisher sind die Kundenparkplätze hinter dem Geschäftsgebäude Maybachstraße 32 für Abschlepper offenbar eine Goldgrube gewesen. Im Namen eines Getränkemarkts, dessen Pforten bereits seit 1. Juli 2018 geschlossen sind und dem dort nach eigenen Angaben zehn Parkplätze gehören, sind noch bis zuletzt Fahrzeuge abgeschleppt worden – vorrangig abends und nachts von Theaterhaus-Besuchern.

Es muss bar auf die Hand gezahlt werden

232,05 Euro – sonst gibt’s die Autos nicht zurück, die auf einem Verwahrplatz an der Siemensstraße stehen. „Und wir mussten bar zahlen“, sagt eine VW-Besitzerin aus Weilimdorf. Sechs Betroffene hätten zusammenlegen müssen, um wenigstens ein Auto auszulösen. „Damit sind wir als Fahrgemeinschaft zu einem Geldautomaten am Feuerbacher Bahnhof gefahren“, sagt sie. Die Polizei habe nicht geholfen. „Die hat nur gesagt, dass man da nichts machen kann“, sagt die Betroffene. Für Privatparkplätze seien die Beamten nicht zuständig.

Allerdings: Die SD Superdrinks GmbH, Besitzer der Getränkemarkt-Parkplätze und angeblicher Auftraggeber, hat unserer Zeitung versichert, seit Herbst 2018 keinen Vertrag mehr mit einem Abschlepper zu haben. Dies macht nun auch die Polizei hellhörig: Denn wäre das Vertragsverhältnis nur vorgetäuscht, um den Betroffenen zur sofortigen Barzahlung zu zwingen, dann könnte dies eine Straftat sein.

Ähnlich wie schon in der Vergangenheit: Wegen gewerblichen Betrugs und Erpressung wird seit einem Jahr gegen zwei andere Abschleppunternehmen ermittelt. „Die Reviere und andere Dienststellen sind noch einmal sensibilisiert worden“, sagt Polizeisprecher Keilbach zum aktuellen Fall.

Lässt sich die Polizei instrumentalisieren?

Freilich spielt die Polizei auch eine unglückliche Rolle – weil sie von den Abschleppern leicht zu instrumentalisieren ist. „Ich kann ja ziemlich forsch sein“, sagt eine Ford-Besitzerin aus Ditzingen, „aber als die Polizei am Telefon uns sagte, wo das Auto steht, da dachte ich, das muss doch seine Richtigkeit haben.“ Eine VW-Up-Besitzerin hatte gar den Eindruck, „die Polizisten stehen voll auf der Seite des Abschleppers“.

Ein falscher Eindruck? Tatsächlich melden es die Abschleppfirmen bei der Polizei an, wenn sie einen Wagen an den Haken genommen haben. „Das dient zunächst ja allen, weil der Betroffene sofort erfährt, dass sein Wagen nicht gestohlen, sondern abgeschleppt worden ist“, sagt Polizeisprecher Keilbach. Ob der Vorgang jedoch rechtmäßig erfolgte, werde nicht überprüft. „Das Abschleppen von Privatgrund ist eine zivilrechtliche Sache“, sagt Keilbach. Bei einem privatrechtlichen Streit könne die Polizei allenfalls beim Personalienaustausch vermitteln. Ob es einen vertraglichen Auftrag gebe oder nicht, das lasse sich im Einzelfall nicht erkennen. Nun seien die Beamten sensibilisiert, „eine rechtswidrige Maßnahme zumindest ins Kalkül zu ziehen“, so Keilbach.

Reviere haben ein spezielles Formular

Doch ist das angekommen? Betroffene berichten, dass sie auf Polizeirevieren auf Anwälte verwiesen werden. Ein Missverständnis: „Das ist für den zivilrechtlichen Weg gedacht“, stellt Keilbach klar. Für den strafrechtlichen Teil aber, den Verdacht eines Betrugs, werde eine Anzeige aufgenommen – „eben mit diesem speziellen Formular, das die Ermittlungsgruppe Haken letztes Jahr entwickelt hat“, so Keilbach.

Die Geschäftsführung der Abschleppfirma hat sich nach erneuter Anfrage unserer Zeitung nun doch geäußert – und die Vorwürfe zurückgewiesen. Bei der Berichterstattung vor einer Woche seien „Unwahrheiten verbreitet“ worden, heißt es. Der gekündigte Vertrag habe ein anderes Unternehmen betroffen, „wir hatten den Vertrag“. Dieser habe bis „letzte Woche“ gegolten.

Welcher Vertrag gemeint sein soll, bleibt unklar. Die SD Superdrinks GmbH hat noch einmal bekräftigt, dass der einzig rechtsgültige Vertrag zu Ende Oktober 2018 gekündigt worden sei. Der damalige Filialleiter habe noch eine Abmachung für November getroffen, jedoch „ohne Vertretungsmacht“, also unbefugt und ohne Rechtskraft. Seit dem 20. Januar, ein Tag nach Erscheinen unseres Berichts, hat die Polizei übrigens keinen Abschleppfall mehr aus der Maybachstraße gemeldet bekommen.