Lange hat er dementiert, nun tut er es doch: der frühere FDP-Landeschef Walter Döring will in den Bundestag – und tritt gegen Birgit Homburger an.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Das Kompliment ist schon einige Jahre alt, aber gerade wieder aktuell. Birgit Homburger, lobte einst ein liberales Regierungsmitglied, sei „der einzige Mann“ in der Südwest-FDP. Sollte heißen: Die Landesvorsitzende habe mehr Mumm als die meisten Männer der Partei.

 

Wenn sich die Freidemokraten an diesem Samstag in Villingen treffen, um die Landesliste für die Bundestagswahl aufzustellen, ist das mal wieder zu besichtigen. Auf Platz eins will, natürlich, die 47-jährige Homburger nominiert werden, das gebietet schon ihr Führungsanspruch als Chefin. Doch die Begeisterung für die Spitzenkandidatin hält sich in Grenzen. Gewiss, sie ist ungeheuer fleißig, hält den Laden zusammen und bespielt die Bühnen in Berlin und Stuttgart gleichzeitig. Viele Liberale aber fragen sich, ob sie für die Schicksalswahl 2013 die nötige Zugkraft mitbringt: Es fehle an Ausstrahlung und Charisma, wird moniert, auch als Rednerin sei die Frau aus dem Hegau nicht gerade mitreißend.

Liberale Männer bleiben in der Deckung

Der Befund ist durchaus nachvollziehbar, auch wenn die Partei unter Homburgers Führung Rekordergebnisse bei Bundes- und Landtagswahlen holte. Schon 2011 konnte sie den Landesvorsitz nur mühsam gegen den Europaabgeordneten Michael Theurer retten. Danach verlor sie auch noch ihren „Traumjob“, den Fraktionsvorsitz in Berlin. Doch das Meckern – meistens hintenrum – blieb lange ohne Konsequenzen. Es mangelt nicht an Männern, die sich und denen andere den Spitzenplatz zutrauen würden. Da gibt es den Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel, den Innenexperten Hartfrid Wolff, den Staatsminister Michael Link oder den Vizefraktionschef Florian Toncar.

Keiner von ihnen will Homburger indes die Nummer eins streitig machen, weil er dann wohl auch den Landesvorsitz übernehmen müsste. Einer fühlt sich noch zu jung, andere verweisen auf ihre Verpflichtungen in der Hauptstadt oder in der weiten Welt, zu undankbar erscheint ihnen die Dompteursrolle im Südwesten. Wenn in internen FDP-Runden der Wunsch nach Alternativen zur Landesvorsitzenden laut wurde, blätterten die Gemeinten angestrengt in ihren Unterlagen oder fixierten die Krümel auf der Tischdecke. „Feiglinge“, zischten da schon mal enttäuschte Revoluzzer.

Ein Quereinsteiger empfiehlt sich als Alternative

Ausgerechnet in einer Partei, die den Wettbewerb so hoch hält, gibt es keine Auswahl? Das wollte zumindest ein Liberaler ändern: Alexander Deicke, 36-jähriger Wirtschaftsanwalt aus Ludwigsburg, erst seit 2009 Parteimitglied und politisch ein völlig unbeschriebenes Blatt. Ende Oktober erklärte der Neuling zur Überraschung sogar des eigenen Kreisverbandes, gegen Homburger zu kandidieren. Bei der Bundestagswahl brauche die Landespartei „ein anderes Auftreten“, sagt er, es bringe nichts, den „Weg nach unten“ fortzusetzen. Manche belächelten seine Bewerbung angesichts fehlender Erfahrung als naiv, andere lobten seinen Mut, sich als Alternative für die Unzufriedenen anzubieten. „Einer muss sich aus der Deckung wagen“, sagte Deicke.

Vielleicht, spekulierten Sympathisanten, gelinge ihm ja ein Coup wie weiland dem jungen Walter Döring, der fast aus dem Stand an die Spitze schoss. Seit Freitagnachmittag ist klar, dass Deicke nicht mehr für einen Spitzenplatz kandidieren wird. Da nämlich erklärte eben jener, inzwischen 58 Jahre alte Döring, er werde in Villingen nun doch für den Spitzenplatz kandidieren. Entsprechende Gerüchte gab es seit Wochen, und der einstige Wirtschaftsminister – heute Unternehmensberater – genoss sie sichtlich. Seine Dementis klangen zwar eindeutig („Ich habe nicht die Absicht anzutreten“), doch er ließ sich stets ein Hintertürchen offen. Zuletzt hieß es nur noch, er werde „zum Parteitag gehen und schauen, wie er läuft“. Kaum ein Liberaler rechnete indes damit, dass Döring ernsthaft ein Comeback anstreben würde. Zu viel spreche auch aus seiner Sicht dagegen, in seinem neuen Leben habe er sich behaglich eingerichtet.

Dörings Dementis gelten nicht mehr

Es gehe ihm auch nicht um sich, sondern um die Partei, erklärt Döring den Sinneswandel. „Zu bitter“ sei deren Lage, als dass er sich den Bitten auch von Bundestagsabgeordneten hätte verschließen können. „Berlin war nie meine Lebensplanung.“ Nun aber wolle er sich mit ganzer Kraft in den Wahlkampf stürzen. Besser als andere könne er „Themen setzen“ und „die Partei motivieren“. Die Siegeschancen schätzt der Ex-Minister auf „fifty-fifty“. Klappe es nicht, sei das kein Beinbruch; er sei nicht mehr auf die Politik angewiesen.

Für die Delegierten wird es eine Entscheidung zwischen Kopf und Bauch. Gut möglich, dass Döring, die „Rampensau“, den Saal in alter Manier zum Jubeln bringt; das kann er fraglos besser als Homburger. Aber bei kühler Betrachtung könnten auch Zweifel aufkommen, ob sein Comeback wirklich eine gute Idee ist. Neben seinen unbestrittenen Qualitäten geriete auch manche alte Geschichte wieder ins Blickfeld – um Heringsbrötchen, eine Titanic-Erbschaft oder die Umfrageaffäre, über die er vor acht Jahren gestürzt war.

Birgit Homburger selbst wollte die drohende Zerreißprobe am Freitag nicht kommentieren. Konkurrenz, hatte sie zumindest im Blick auf Deicke signalisiert, nehme sie sportlich: „Wettbewerb ist das Normalste von der Welt.“