In der Vergangenheit hat der kleine FC Augsburg dem VfB Stuttgart regelmäßig ein Schnippchen geschlagen. Auch am Sonntag (15.30 Uhr) geht der VfB nicht als Favorit in das Duell mit den bayrischen Schwaben. Das hat Gründe.

Sport: Gregor Preiß (gp)

Stuttgart/Augsburg - Beim Blick auf die Bilanz könnte man fast meinen, der Begriff des Angstgegners sei einst für das Duell des VfB Stuttgart mit dem FC Augsburg erschaffen worden. 0:3, 1:2, 1:4, 0:1, 1:2, 0:4, 0:1, 0:0 lauten die letzten Ergebnisse bei den Aufeinandertreffen in der Bundesliga. Nur gegen den FC Bayern München weist der Club aus Cannstatt eine noch schlechtere Bilanz auf. Das torlose Remis in der Hinrunde war vor diesem Hintergrund fast schon ein Erfolg. Auch am Sonntag (15.30 Uhr) fährt der Aufsteiger nicht als Favorit ins Rückrunden-Duell nach Augsburg. Gleich bei drei Trainern trennten sich in der jüngeren Vergangenheit nach dem Duell mit dem FCA die Wege: Für Bruno Labbadia, Armin Veh sowie Alexander Zorniger wurde Augsburg zum Albtraum.

 

Nun waren die Begegnungen mit keinem Fluch belegt. Die Ergebnisse sind kein Zufall und spiegeln die Entwicklungen beider Clubs gut wider. Für den kleinen FC Augsburg ging es stetig bergauf. Für den großen VfB bergab. Zur Erinnerung: Als die Helden von der Mercedesstraße 2007 die Deutsche Meisterschaft feierten, war Augsburg gerade in die zweite Liga aufgestiegen. Und hat seither einiges richtig gemacht.

„Es ist eindrucksvoll, was da passiert ist. Das Trainerteam, die Geschäftsleitung und die Scoutingabteilung leisten seit Jahren erstklassige Arbeit“, urteilt Tobias Werner. Der 32-Jährige war eines der Gesichter des Augsburger Aufschwungs mit dem Bundesliga-Aufstieg 2011. Fünf Jahre später schloss er sich dem VfB an, von wo aus er aktuell an den 1. FC Nürnberg verliehen ist. Werner kennt das Innenleben beider Vereine gut. In Augsburg, sagt er, werde mannschaftliche Geschlossenheit nicht nur auf dem Platz, sondern quer durch den Verein gelebt. „Man merkt, dass alle Mitarbeiter sehr große Freude an ihrem Job haben.“

Verheerende VfB-Bilanz

Das macht es leichter, Krisen zu durchstehen. Die gab es auch in Augsburg immer wieder . Die ersten beiden Jahre nach dem Aufstieg waren hart. In der Saison 2012/13 sah es zwischendurch besonders düster aus. Zur Winterpause stand die Mannschaft mit neun Punkten da. Dennoch widersetzten sich die Clubbosse den branchenüblichen Mechanismen und hielten am Bundesliga-Novizen Markus Weinzierl als Trainer fest. Am Ende retteten sich die Augsburger und wurden in der darauffolgenden Saison Achter.

„Man hat die richtigen Schlüsse daraus gezogen“, sagt Werner rückblickend. Ruhe als oberstes Gebot. Was sich in der unaufgeregten 290 000-Einwohner-Stadt vor den Toren Münchens leichter realisieren lässt als in Stuttgart, der Region der Weltmarktführer, wo das Beste gerade gut genug ist.

„Beim VfB herrscht bei Fans und Medien eine ganz andere Erwartungshaltung. In Stuttgart ist immer irgendwie Druck auf dem Kessel“, hat Werner aus seinem Jahr auf dem Wasen mitgenommen. „In Augsburg kann man ruhig arbeiten, ohne dass in der ersten Krise auf Spieler oder Trainer eingedroschen wird.“

Ähnlich sieht es Stefan Reuter. „Ich kann mich in meinen Stuttgarter Kollegen gut hineinversetzen“, sagte der FCA-Manager mit mitleidsvollem Unterton in einem früheren Interview mit unserer Zeitung. Das war vor zwei Jahren, Reuters Pendant hieß Robin Dutt. Mittlerweile ist mit Michael Reschke Dutts Nach-Nachfolger am Werk. Seit Sommer 2014 hat der VfB 59 neue Spieler, sieben Cheftrainer und vier Sportdirektoren verpflichtet!

„Ekelhaftes“ Spielsystem

160 Kilometer weiter östlich gab es im selben Zeitraum drei Trainer und ein und denselben Sportchef. In Stephan Schwarz, einem früheren Jugendcoach des VfB, der nach dem Abstieg in Stuttgart als neuer Kaderplaner im Gespräch war, steuert seit fünf Jahren ein und derselbe Verantwortliche die Bereiche Scouting und Kaderplanung. „Schwarz und Reuter bilden die sportliche Denkfabrik“, schreibt die „Augsburger Allgemeine“.

Während sich der VfB im Kreis dreht und zuletzt vieles Flickwerk blieb, entwickelten sich in Augsburg Spieler und Mannschaft über Jahre hinweg. Daraus entstand ein festes System, das von Gegnern anerkennend als „ekelhaft“ beschrieben wird. Extreme Zweikampfhärte gepaart mit laufintensivem Konterspiel – Fußball wie im gallischen Dorf. Spielerische Defizite werden genauso kompensiert wie finanzielle Nachteile gegenüber der Konkurrenz. Mit einem Spieleretat von 35 Millionen Euro rangiert der FCA auf einem Abstiegsplatz. Der VfB liegt mit circa 45 Millionen im hinteren Mittelfeld der Liga. Auch in puncto Umsatz und allen anderen Kennziffern mit Ausnahme des Fernsehgeldes sind die bayrischen Schwaben dem VfB unterlegen.

Und sind ihm sportlich doch schon wieder voraus. Mit 31 Punkten dürfte das Team von Manuel Baum auch in diesem Jahr mit dem Abstieg nichts zu tun haben. Für den VfB mit 24 Punkten ist dagegen wohl wieder Zittern angesagt. Immerhin in einem Punkt kann VfB-Coach Tayfun Korkut dem Duell am Sonntag gelassen entgegensehen: Ihm droht auch bei einer Niederlage nicht das Schicksal vieler seiner Vorgänger.

VfB Stuttgart - 1. Bundesliga

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