Von der „Türken-Annemarie“ bis zur kleinen Eiszeit: Manfred Wolfhard hat für das Jahr 2020 einen Historischen Kalender verfasst, der skurrile Begebenheiten aus der Vergangenheit des ehemaligen Ritterguts aufgreift.

Dürnau - Geschichte in Häppchen, lehrreich und unterhaltsam bietet ein historischer Kalender, den der Dürnauer Ortshistoriker Manfred Wolfhard verfasst hat. Das einstige Ritterdorf wartet mit genug Stoff auf, um die Rückseite von zwölf Kalenderblättern mit Text zu füllen. Mit der Illustration war das wohl schwieriger. Doch Gemälde vom Göppinger Stadtbrand und von bäuerlichen Zechgelagen, um zwei Beispiele zu nennen, ergänzen die Dürnauer Motive klug. Denn letztlich haben sie, wenn auch nicht immer unmittelbar, mit dem Ort zu tun.

 

Wüst ging es zu in den Zeiten, die Wolfhard beschreibt. Räuber zogen durch die Lande, und meistens waren auch die feinen Herren nicht besser. Ein rechter Streithahn war Hans Christoph von Zillenhardt. Der Ritter führte in Dürnau und Gammelshausen das Regiment, wenn der Ortsherr Hans Wolf von Zillenhardt, sein Bruder, wegen seiner Tätigkeit im Dienst des Herzogs abwesend war. Beide Brüder waren rücksichtslose Genossen, wie Wolfhard schreibt. Die Untertanen hatten zu gehorchen. Doch auch mit der Obrigkeit legten sie sich an.

Das Schloss besteht nicht mehr

Hans Wolf von Zillenhardt war auch der Erbauer des Dürnauer Schlosses, von dem nur mehr der Wirtschaftshof erhalten ist. Das Schloss selbst wurde 1845 abgerissen. Die Zillenhardter waren 1479 nach Dürnau gekommen. Wilhelm I. erwarb damals „Dürnaw und Gamolzhausen das Wiler“ für 1352 Gulden. Er vereinigte die beiden Orte zu einem Rittergut, das bis zum Jahr 1623 in der Hand dieses Adelsgeschlechtes blieb.

Manfred Wolfhard richtet den Blick auch auf die einfachen Leute. Sie lebten in ärmlichsten Verhältnissen und waren der Willkür ihrer Herren ausgeliefert. Obschon die Last der Abgaben sie schon genug drückte, baten die Grafen von Degenfeld, die auf die Zillenhardter folgten, die Dürnauer von 1784 an noch einmal gesondert zur Kasse. Der Ort musste pro Kopf und Jahr eine sogenannte Schlosswach-steuer in Höhe von 15 Kreuzern bezahlen.

Dabei stand das Schloss noch nicht einmal in Dürnau. Die Degenfelder hatten sich in den Jahren in Eybach bei Geislingen ein Schloss errichten lassen, das heute noch steht. Um Räuber abzuwehren, mussten die Eybacher Untertanen jede Nacht Wache halten. Solche Dienste konnten die Dürnauer aufgrund der Entfernung nicht übernehmen. Stattdessen mussten sie bezahlen.

Die „Türken-Annemarie“ diente als Soldat

Um sich über Wasser zu halten, verlegten sich die sogenannten kleinen Leute auf die Schafhaltung. „In der Vergangenheit“, schreibt Wolfhard, „gab es in Dürnau meist mehr Schafe als Einwohner“. Die bittere Armut wurde den Menschen vor allem bei Wetterextremen zum Verhängnis. In den Wintern 1708/1709 und 1771/1772 herrschten monatelang eisige Temperaturen um minus 30 Grad. Mensch und Vieh erfroren. Die Ernten fielen mager aus. Wolfhard hat recherchiert, dass 28 Menschen im Jahr 1772 starben – ungewöhnlich viele. Eine große Gefahr ging damals auch von Feuersbrünsten aus. Deshalb wurde der sorglose Umgang mit Feuer unter Strafe gestellt. Jeder musste drei Gulden Strafe bezahlen, der Feuer in einem offenen Gefäß holte. Der Wochenverdienst eines Maurermeisters, so schreibt Wolfhard, betrug einen Gulden.

Stoff für einen Film würde die Geschichte der Dürnauerin Anna Marie Christmann liefern. Sie ging als „Türken-Annemarie“ in die Geschichte ein, weil sie als Junge verkleidet in der Armee des Prinzen Eugen kämpfte. Sie war 1717 dabei, als Truppen des Prinzen den Türken die Stadt Belgrad entrissen. Sie flog zwar auf, wurde aber begnadigt.