Ein neu entdeckter Wirkstoff verhindert, dass Spermien in die Eizelle gelangen – und das soll ohne Nebenwirkungen stattfinden. Die Substanz gilt als Hoffnung für ein neues Verhütungsmittel für Männer. Wann könnte es so weit sein?

Psychologie/Partnerschaft: Florian Gann (fga)

Forschende aus den USA und Belgien haben einen Wirkstoff entdeckt, der als nebenwirkungs- und hormonfreies Verhütungsmittel funktionieren könnte. Vereinfacht gesagt, verhindert der neue Wirkstoff namens VU0546110, dass Spermien in die Eizelle gelangen und diese befruchten können. Damit Spermien mit der Eizelle verschmelzen können, verändern sie ihre Oberflächenspannung. Das tun sie, in dem sie Kaliumionen aus der Spermienzelle pumpen – über einen Kanal namens SLO3. Der neue Wirkstoff schaltet diesen Kanal aus, und verhindert damit ein Befruchten der Eizelle. Die Ergebnisse beschreiben die Forscherinnen und Forscher aktuell in einem Artikel in der renommierten Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS).

 

Einnahme nur direkt vor dem Sex nötig

Das Potenzial dieser Entdeckung ist groß, denn der Wirkstoff könnte für eine Pille für den Mann eingesetzt werden. Für eine solche werden zwar immer wieder Durchbrüche vermeldet, eine Marktzulassung ist aber noch für keine der Lösungen in Sicht. Der Vorteil von VU0546110: Andere Wirkstoffe würden meist darauf abzielen, dass keine Spermien produziert werden, sagt Timo Strünker, der an der Uniklinik Münster selbst zu dem Kaliumkanal SLO3 forscht, gegenüber unserer Redaktion. „Das muss man dann eine Weile vorher einnehmen, damit es wirkt, und wenn man damit aufhört, wirkt es noch zwei, drei Monate nach.“

Die neue Substanz dagegen „könnte man on demand einnehmen“, sagt Strünker. Das heißt: Weil das Mittel nur verhindern muss, dass die Spermien in die Eizelle gelangen, würde die Einnahme einer etwaigen Pille kurz vor dem Sex ausreichen, bald danach wäre man wieder fruchtbar, so Strünker. Und das ohne Nebenwirkungen – theoretisch.

Wirksamkeit könnte bei Frauen höher sein

Den SLO3-Kanal gibt es nur in Spermien. Und der Wirkstoff VU0546110 wiederum wirkt nur auf SLO3. In einer idealen Welt hätte ein Verhütungsmittel mit diesem Wirkstoff also keine Nebenwirkungen. „Aber in der Realität gibt es das nicht“, sagt Timo Strünker. Und es gibt weitere Unklarheiten. Etwa, ob das Mittel tatsächlich von Männern zur Verhütung eingenommen werden könnte – oder ob es bei Frauen für eine effektivere Wirkung sorgen würde.

Denn der Wirkstoff muss erst im weiblichen Körper seine Funktion erfüllen, wenn die Spermien versuchen, in die Eizelle zu gelangen. Deswegen könne es sinnvoller sein, dass Frauen das Mittel einnehmen. Dann gäbe es statt einer Pille für den Mann eine neue Pille für die Frau. Um herauszufinden, bei wem der Einsatz sinnvoller sei, müssten aber noch einige Untersuchungen folgen, sagt Strünker.

Der Weg zur Pille ist noch weit

Generell ist eine zulassungsreife Pille auch mit dem neuen Wirkstoff noch weit entfernt. In ein bis zwei Jahren werde man wissen, ob das Ganze bei Mäusen zuverlässig funktioniere, sagt Strünker. Dann müssten erst Versuche mit Menschen erfolgen, wofür Strünker mit weiteren fünf bis zehn Jahren rechnet. „Der Ansatz ist sehr vielversprechend“, sagt Strünker. „Ob das Mittel wirklich auf dem Markt kommt, hängt von sehr vielen Faktoren ab. Die Chance zu scheitern ist – wie bei allen Neuentwicklungen in dem Bereich – sehr hoch.“