Bei Ansagen in deutschen Bahnhöfen ist zurzeit eine Frauenstimme zu hören. Weil hier einzelne Worte zusammengesetzt werden, klingt sie abgehackt und wird vom Volksmund despektierlich Blech-Else genannt. Mit Heiko soll das bald anders werden – zunächst in Stuttgart.

Lokales: Alexander Ikrat (aik)

Stuttgart - Bei Umfragen unter Bahnkunden stellen sich Verspätungen meist nicht als das größte Ärgernis heraus. Was die Menschen, die auf Züge und S-Bahnen warten, besonders stört, ist, wenn sie keine oder schlechte Informationen bekommen. Bei der Stuttgarter S-Bahn etwa haben die Fahrgäste diese Information zuletzt nach Schulnoten im Durchschnitt mit 3,2 bewertet. Vereinbart ist mindestens eine zwei bis drei. Damit das, was tatsächlich aus den Lautsprechern kommt, künftig besser verstanden werden kann, setzt die Bahn an allen rund 5700 Bahnhöfen in Deutschland auf eine neue Stimme – „Heiko“.

 

„Heiko“ heißt mit ganzem Namen Heiko Grauel und stammt aus Dreieich im hessischen Kreis Offenbach. Der 45-jährige Profi-Synchronsprecher, der schon im Alter von acht Jahren begonnen hat, die Einleitung seiner „Drei ???“-Kassetten selbst zu sprechen und aufzunehmen, hat sich gegen Hunderte von Mitbewerbern durchgesetzt. „Wir suchten nach einer professionellen Stimme, die verständlich und sympathisch klingt“, sagt der DB-Projektleiter Daniel Labahn. Drei Frauen und drei Männer durften letztlich in einem Kinosaal vor der eingespielten Geräuschkulisse eines Bahnhofs zeigen, ob sie dies einlösen.

Grauel hat die 24-köpfige Jury aus Akustikexperten, Bahnmitarbeitern und -kunden überzeugt, weil seine Stimme auch vor klappernden Koffern und quietschenden Bremsen gut zu verstehen ist. Im vergangenen Sommer ging der Mann, der sonst Texte für Fernsehsendungen wie „Das aktuelle Sportstudio“ oder „Terra X“ einspricht oder auch Karl-May-Hörbücher vertont, über vier Wochen für vier bis fünf Stunden pro Tag in die Aufnahmekabine eines Frankfurter Tonstudios. Dort sprach er Sätze wie „Bitte beachten Sie auch die Anweisungen unseres Servicepersonals“ ebenso wie „In der örtlichen Hip-Hop-Szene ist er ein Nobody“ oder „Die restlichen Kräuter grob abzupfen“. Das Geheimnis hinter den scheinbar zusammenhanglosen Sätzen, die er aus einem Tablet-Computer ablas: Eine spezielle Software zerlegt die insgesamt rund 14 000 Textzeilen in einzelne Silben und Laute und legt sie in einer Bibliothek ab, aus der sie nach Bedarf zu neuen Sätzen zusammengesetzt werden können, die dann auch flüssiger klingen als bisher. „Hier war es vor allem wichtig, dass ich eben nicht abwechslungsreich, sondern immer gleich klinge und im selben Tempo spreche“, sagt Grauel.

Sonst spricht Grauel Hörbücher und fürs Fernsehen

Nach Angaben eines Bahnsprechers ist „Heiko“ seit Mitte November am Hauptbahnhof in Wolfsburg im Einsatz, bisher nur mit Standarddurchsagen etwa zum Rauchverbot. Seit kurzem ertönt er mit Warnhinweisen auch in Stuttgart-Feuerbach, quasi als Vorbote für den ersten größeren Einsatz in Deutschland neben dem Rhein-Main-Gebiet um Frankfurt. „Es ist geplant, dass die neue Stimme noch im ersten Quartal an Stuttgarter S-Bahn-Stationen zu hören sein wird“, bestätigt der Bahnsprecher unserer Zeitung.

Warum die eigentliche Premiere mit allen Ansagen gerade im Stuttgarter S-Bahn-Netz steigt? „Die technischen Voraussetzungen in Stuttgart sind gut, um bei der S-Bahn mit dem Einsatz der neuen Stimme zu beginnen“, so der Sprecher. Stuttgart gehörte zu den 70 Städten, in denen im vergangenen Jahr neue und detailliertere Anzeigen für die sogenannte Reisendeninformation an den Bahnsteigen angebracht wurden. Diese zeigen etwa bei verspäteten Zügen die erwartete neue Abfahrtszeit an und nicht mehr Hinweise wie „circa 10 Minuten später“ an. Das neue Betriebssystem, das mit der Zugsteuerung verknüpft ist, ist dasselbe, das für die Software der Ansagen benötigt wird. Die Voraussetzungen für „Heiko“ sind in Stuttgart also gegeben, und er wird hier auch alle Hände voll zu tun haben. In der Hauptverkehrszeit sind gerade einmal vier von fünf S-Bahnen pünktlich oder haben eine Verspätung von unter drei Minuten.

Deutschland-Premiere im S-Bahn-Tunnel

An welchen Stationen die neue Stimme zuerst zu hören sein wird, ist laut dem Bahnsprecher noch unklar. Allerdings geht auch er davon aus, dass die Haltestellen der Stammstrecke zwischen Hauptbahnhof und Schwabstraße darunter sind. Dort können die meisten Fahrgäste Heiko Grauel zuhören – und ihn hoffentlich besser verstehen, als die bisherige, oft abgehackt klingende Frauenstimme. Dass ihm künftig einmal nach Bahnangaben 20 Millionen Reisende und Bahnhofsbesucher täglich zuhören könnten, nötigt dem 45-Jährigen trotz aller Erfahrung Respekt ab: „Ich bin gespannt, wie es beim Reisenden am Bahnhof ankommt und werde in Zukunft bestimmt ab und zu mal am Bahnsteig stehen und zuhören.“

So klingt die neue Stimme an den Bahnhöfen