Die zweite Röhre des Feuerbacher Tunnels für Stuttgart 21 erreicht die Innenstadt. Bahnchef Richard Lutz bekennt sich zu dem Vorhaben. Stadträte stören die Feier am Kriegsberg.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Für Bahnchef Richard Lutz ist es am Dienstag der erste Tunneldurchschlag bei Stuttgart 21 gewesen – und gleich war die Schlagfertigkeit des Konzernchefs gefordert. Die beiden Stadträte Hannes Rockenbauch und Tom Adler (beide SÖS-Linke-Plus) skandierten in Lutz’ Rede die Parolen „Oben bleiben“ und „Umstieg jetzt“. Lutz konterte: „Ich bleibe hier oben auf dem Podium, wenn es recht ist“. Er hatte die Lacher auf seiner Seite, die beiden Stadträte verließen unterdessen den Ort des Geschehens tief im Kriegsberg. Zuvor hatte Rockenbauch bei einer Demonstration am Rand der Baugrube gesprochen. Die Stuttgart-21-Gegner auf der Jägerstraße bereiteten den Gästen der Durchschlagsfeier einen lautstarken Empfang.

 

Lutz bekennt sich zum Projekt

Im Kriegsberg schlugen Mineure symbolisch nach knapp vier Jahren Bauzeit auch die zweite Röhre des von Feuerbach in die Innenstadt führenden Tunnels durch. Damit sind alle vier Röhren aus Feuerbach und aus Richtung Bad Cannstatt am Nordkopf des künftigen Bahnhofs angekommen. In Richtung Feuerbach fehlen noch gut 100 Meter, eher auch dort die Mineure Licht sehen.

Lutz unterstrich nochmals seine Sicht der Dinge: „Stuttgart 21 ist sinnvoll. Es schafft zusätzliche Kapazitäten und bringt kürzere Reisezeiten für unsere Kunden“. Er unterstütze das Vorhaben aus „tiefster Überzeugung“. Die wiederholten Anzeigen gegen ihn und andere Bahnverantwortliche sehe er gelassen. „In wenig anderen Projekten sind die Entscheidungen so sorgfältig vorbereitet worden.“

Wirtschaftsminister fordert Mut zum Großprojekt

Nach der Inbetriebnahme der Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen München und Berlin werde Stuttgart 21 und die neue Strecke nach Ulm „der nächste Quantensprung für den Schienenverkehr in Deutschland, aber auch international“. Eine ähnliche Erfolgsgeschichte wie sie auf der Strecke zwischen Berlin und München trotz aller Startschwierigkeiten zu erleben sei, werde auch die Strecke Stuttgart-Ulm sein, so die Prognose der baden-württembergischen Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut CDU). „Wir müssen weiterhin den Mut haben, solche Großprojekte zu realisieren“. Bahnstrecken, Straßen und Datenleitungen seien die „Lebensadern der Wirtschaft. Die dürfen nicht verstopfen und deswegen investieren wir auch weiterhin in sie.“

Steffen Bilger (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, erinnerte an die finanzielle Beteiligung Berlins am Projekt. Die schwierige Geologie insbesondere im Feuerbacher Tunnel habe zu Verzögerungen und Kostensteigerungen geführt. Nach jüngsten Prognosen der Bahn wird der Umbau des Knoten Stuttgart mit 8,2 Milliarden Euro statt der vereinbarten 4,5 Milliarden Euro zu Buche schlagen.

Oberbürgermeister erinnert an Volksabstimmung

Der Abstand zwischen der vereinbarten Summe und der Kostenprognose sei „einfach zu groß, als das wir das gerichtlich klären lassen“, sagte OB Fritz Kuhn (Grüne) mit Blick auf die Klage der Bahn, mit der sie eine Beteiligung der Projektpartner in Stadt, Land und Region erwirken will. „Wir hoffen, dass der Bund seine Verantwortung stärker wahrnimmt als bisher“, sagte Kuhn an Bilger gewandt. Der Feuerbacher Tunnel habe die Projektpartner immer wieder beschäftigt, weil das Bauen im quellfähigen Anhydrit für Verzögerungen gesorgt habe. „Und das verzögert das ganze Projekt. Deswegen ist das heute ein ganz besonderer Durchschlag“. Kuhn erinnerte auch daran, wie er erst als Landtags- und später als Bundestagsabgeordneter gegen das Projekt argumentiert habe. Nun gelte es, Realitäten und Abstimmungen anzuerkennen. „In einer Demokratie gibt es nichts höheres als einen Volksentscheid.“ Mit der Lösung Drittes Gleis am Flughafen, den Ausbau der Wendlinger Kurve und dem Bau des Regionalbahnhofs in Vaihingen habe man das Beste daraus gemacht. An die Bahn gerichtet sagte Kuhn. „Baut den Tunnel, baut das Projekt, aber baut bitte schnell“. Nur so könne man die städtebaulichen Chancen nutzen.

Dass nicht nur das Bauen im Anhydrit mitunter eine zähe Angelegenheit ist, deutete Claude-Patrick Jeutter, Chef des Bauunternehmens Baresel an. „Wir haben noch viele Diskussionen vor uns.“