Bei mehreren Razzien haben im Herbst 2020 Ermittler lasterweise Beweismaterial und sogar Fahrzeuge sichergestellt. Nun kommt es zu Strafbefehlen und Prozessen.

Rems-Murr: Phillip Weingand (wei)

Spezialkräfte waren im Einsatz, die Ermittler stellten lasterweise Beweismaterial sicher: Die Razzien, die im Oktober 2020 nicht nur in Backnang, sondern auch in München, den Landkreisen Augsburg, Biberach, Esslingen, Günzburg, Kempten, Sigmaringen, Tübingen und Ostallgäu sowie dem Ostalbkreis in 17 Wohnungen stattgefunden hatten, zogen bundesweite große Aufmerksamkeit auf sich. Nach dem Bekanntwerden der Waffenfunde war in Backnang gegen rechtsextremen Terrorismus demonstriert worden. Immerhin hatte die Razzia, bei der Spezialkräfte zum Einsatz kamen und viele Lastwagen voll Beweismaterial sichergestellt wurde, unter dem Eindruck des Anschlags von Hanau stattgefunden.

 

Ins Rollen gekommen waren die Ermittlungen, nachdem im Landkreis Biberach knapp 20 Männer und Frauen zusammengekommen waren, um in einem Waldstück Szenarien aus dem Zweiten Weltkrieg nachzustellen. Die 27- bis 77-jährigen Teilnehmer sollen mit Wehrmachtsuniformen und zumindest teilweise scharfen Waffen ausgestattet gewesen sein. Einige davon, so der Vorwurf, sollen gar unter das Kriegswaffengesetz fallen. Im Landkreis Sigmaringen wurden zwei Zündkapseln kontrolliert gesprengt, in Backnang wurde ein historisches Militärfahrzeug sichergestellt.

Welche Strafen sind zu erwarten?

Über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren hinweg hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart keine Details zum Ermittlungsstand mitgeteilt. Auf regelmäßige Nachfragen unserer Redaktion hin verwiesen mit der Zeit wechselnde Pressesprecher auf „laufende Ermittlungen“ sowie auf die Vielzahl der sichergestellten Waffen und der beteiligten Personen, welche es zu untersuchen gelte. Nun, fast zweieinhalb Jahre später, stehen die ersten Prozesse an.

Zumindest für terroristische Umtriebe hat die Staatsanwaltschaft aber offensichtlich keine Beweise gefunden: Die Punkte, wegen denen jetzt verschiedene Prozesse an den Amtsgerichten Backnang, Stuttgart, Sigmaringen und Biberach anstehen, lesen sich deutlich weniger spektakulär. Die Höchststrafe, welche Amtsgerichte verhängen dürfen, beträgt vier Jahre Haft. Und auch dies dürfte deutlich mehr sein als die Tatverdächtigen wohl erwartet.

Insgesamt standen 25 Verdächtige im Fokus der Ermittlungen. Zwei von ihnen waren dem Staatsschutz bereits zuvor bekannt. Eines der Verfahren gegen eine Frau wurde mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt, in einem weiteren wurde von einer Verfolgung abgesehen, weil der Beschuldigte inzwischen wegen einer anderen Tat verurteilt worden ist. In den meisten der Fälle hat die Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht Biberach Strafbefehle beantragt. Vorgeworfen wird 20 Beteiligten das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Verstöße gegen das Uniformverbot. Teils lauten die Vorwürfe auch auf vorsätzlichen unerlaubten Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen und andere Verstöße gegen das Waffengesetz.

Was für eine Rolle hatte ein Filmausstatter?

Ähnlich sehen die Vorwürfe gegen Personen aus, die nun vor den Amtsgerichten Backnang, Stuttgart und Sigmaringen angeklagt werden. Die Razzia im Backnanger Teilort Sachsenweiler hatte das Haus eines 60-Jährigen zum Ziel. Laut dem Zeitungsverlag Waiblingen handelt es sich bei dem Mann um einen Filmausstatter, der unter anderem den Kinofilm „Der Hauptmann“ mit Requisiten beliefert habe. Der Mann war offenbar nicht als Rechtsextremer bekannt. Welche Rolle er bei den Kriegsspielen im Wald inne hat und was es mit den Wehrmachtsszenarien auf sich hat, werden die Prozesse zeigen müssen.