Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft ermittelt gegen zwei im Einkauf tätige Mercedes-Mitarbeiter. Sie stehen unter dem Verdacht der Bestechlichkeit.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Offenbar haben zwei Mercedes-Mitarbeiter gegen die von ihrem Arbeitgeber nach innen und außen kommunizierten Verhaltensregeln in gröbster Weise verstoßen. „Bei Mercedes-Benz machen wir keine Geschäfte um jeden Preis. Wir bestechen nicht und lassen uns nicht bestechen“, heißt im Internetauftritt des Konzerns, der sich als Gründungsmitglied des „Global Compact“ der Vereinten Nationen weltweit gegen Korruption mit „allen negativen Folgen“ einsetzen will. Vor diesem Hintergrund betont der zuständige Unternehmenssprecher Johannes Leifert nun: „Im Rahmen einer Kontrolle sind Unregelmäßigkeiten zutage getreten, weshalb wir den Fall selbst zur Anzeige gebracht haben.“

 

Hausdurchsuchung im Werk Sindelfingen

Daraufhin hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart Ermittlungen eingeleitet, in deren Verlauf am vergangenen Donnerstag Durchsuchungen stattgefunden haben – sowohl in Räumen des Mercedes-Werkes in Sindelfingen als auch im privaten Bereich der unter Verdacht Stehenden. Die „Bild“ hatte zuerst darüber berichtet.

Der Einkauf mit seiner Auftragsvergabe gilt als besonders korruptionsanfälliger Geschäftsbereich in einem Unternehmen. Auch gegen die Personen, die möglicherweise an der Bestechung der Mercedes-Mitarbeiter beteiligt sind, wird ermittelt. Das bestätigt Aniello Ambrosio, Erster Staatsanwalt der Stuttgarter Staatsanwaltschaft. Mercedes-Sprecher Johannes Leifert bezeichnet es dagegen als „Spekulation“, dass es sich um einen der größten Korruptionsfälle in der Geschichte des Konzerns handelt. Dennoch könnten über einen längeren Zeitraum Bestechungsgelder geflossen sein, die insgesamt im Millionenbereich liegen.

Firmengeschichte weist manchen Korruptionsfall auf

2012 standen schon einmal zwei Mitarbeiter des Sindelfinger Mercedes-Werkes im Mittelpunkt einer Korruptionsaffäre. Sie waren damals vom Böblinger Amtsgerichts zu Haftstrafen von sechs und neun Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Ebenso vier Mitarbeiter einer Firma aus Zaberfeld (Kreis Heilbronn). Diese hatten nach Überzeugung des Gerichts jahrelang die zwei Mercedes-Angestellten in der Qualitätskontrolle mit Laptops, Viagra, VfB-Karten und Skireisen nach Ischgl geschmiert. Im Gegenzug sollten die Mercedes-Leute der sogenannten Nacharbeitsfirma Aufträge von Zulieferern zuschanzen.

Zuvor stand der Konzern im Ruf, sich selbst der Bestechung schuldig gemacht zu haben. Bereits 1999 verabschiedete deshalb der Daimler-Vorstand eine Verhaltensrichtlinie für seine Belegschaft, die Korruption als Mittel für die Beschaffung von Aufträgen ausschloss. Trotzdem kam es auch in der Folge noch zu entsprechenden Delikten.

78 Limousinen gegen Bestechung nach Hanoi geliefert

Ein besonders eklatanter Fall stammt aus dem Jahr 2004, als in der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi die asiatisch-europäische Konferenz Asem stattfand. Daimler lieferte dafür 78 Limousinen für eine standesgemäße Mobilität der Gipfelteilnehmer. Den Auftrag für das Tochterunternehmen Mercedes-Benz Vietnam sichert man sich mit Geldzahlungen an Regierungsvertreter. 2010 hatte sich Daimler nach jahrelangen Korruptionsermittlungen mit der US-Justiz auf einen Vergleich geeinigt. Der Konzern bekannte sich damals schuldig, in mindestens 22 Ländern bestochen zu haben, und akzeptierte eine Strafe in Höhe von 185 Millionen Dollar.

Mit diesem Korruptionsskandal aus der US-Vergangenheit von Mercedes lässt sich der aktuelle Fall aus dem Werk Sindelfingen allein schon wegen der im Raum stehenden Summen nicht vergleichen. Aber auch aus einem ganz anderen Grund: „Wir sind der Geschädigte“, sagt Mercedes-Sprecher Johannes Leifert.