Geht es nach den Vorstellungen des Initiators Werner Sobek, sollen künftig möglichst viele Häuser mehr Energie erzeugen, als sie selbst verbrauchen. Stadträte sind skeptisch, ob sich das Experiment auf den Geschosswohnungsbau übertragen lässt.

Stuttgart - Im Mai will der Stuttgarter Ingenieur Werner Sobek sein Energiemusterhaus am Bruckmannweg in direkter Nachbarschaft zur Weißenhofsiedlung errichten. Erst vor Kurzem hat er dafür den Mietvertrag mit der Stadt unterzeichnet, die ihm das Grundstück für das sogenannte E-Lab befristet auf zwei Jahre kostenlos zur Verfügung stellt. Im Technischen Ausschuss des Gemeinderats traf das „weltweit einzigartige Projekt“ (Sobek) auf allgemeines Wohlwollen. Ob damit die Wohnungs- und Energieprobleme der Zukunft gelöst werden können, darüber gab es freilich unterschiedliche Meinungen.

 

Für Werner Sobek, der das knapp 3,9 Millionen Euro teure Projekt mit Hilfe von Sponsoren und Forschungszuschüssen des Bundes stemmen will, ist klar: nur wenn man künftig Häuser baut, die mehr Energie erzeugen, als sie selbst verbrauchen, kann die Energiewende gelingen. Die energetische Sanierung von Wohnraum sei im Vergleich dazu sehr viel teurer – Sobek bezifferte die dafür bundesweit anfallenden Kosten auf mehrere Hundert Milliarden Euro. Sein zu 100 Prozent recycelbares Musterhaus, das im Herbst 2016 wieder abgebaut werden soll, soll über Fotovoltaikanlagen Strom erzeugen und diesen nicht nur ins Stromnetz einspeisen, sondern zwischenspeichern, damit es dann auch Nachbarhäuser mit Elektrizität versorgen kann. Die Energieeffizienz des 85 Quadratmeter großen Flachbaus soll durch eine Vakuum-Isolierverglasung und eine einklappbare Terrasse, die die Hauswand des Holzbaus zusätzlich abdichtet, ihresgleichen suchen.

Ergebnisse werden von der Uni Stuttgart ausgewertet

Mit Ausnahme von SÖS-Stadtrat Gangolf Stocker („Ein charmanter Gedanke, dass das Haus 2016 wieder wegkommt“) sprachen alle Fraktionen von einem innovativen und spannenden Projekt. Peter Pätzold (Grüne) und Tom Adler (Linke) warfen zugleich die Frage auf, ob das Projekt geeignet sei, die Wohnungs- und Sanierungsprobleme im Geschosswohnungsbau zu lösen. „Das Modell kann in Stuttgart nicht in großem Maßstab verwirklicht werden“, so Pätzold. Andreas Reißig (SPD) schloss sich dem an: Ob die Erkenntnisse aus dem „Vorzeigeprojekt“ für den Geschosswohnungsbau nützlich seien, sei fraglich. Dagegen verspricht sich Alexander Kotz (CDU) von dem E-Lab einen Schub für die Produktion von energetisch mustergültigen Fertighäusern, etwa durch die einklappbare Terrasse. Joachim Fahrion (Freie Wähler) sagte, das Projekt werde Aufschlüsse für die Zukunft liefern, und Günter Stübel (FDP) erklärte, das E-Lab werde ein zusätzlicher Besuchermagnet für die Weißenhofsiedlung.

Ein Jahr lang soll das Haus für Besucher und Schüler frei zugänglich sein, danach wird es von einer Musterfamilie bewohnt. Die Ergebnisse des Pilotprojekts werden dann von der Uni Stuttgart ausgewertet.