Kommunikation ist das Kerngeschäft unserer Korrespondenten. Thomas Roser hat es in seinen Ländern aber nicht so leicht: Hier spricht man Serbisch, Kroatisch, Bosnisch – und manchmal klingt alles gleich.

Korrespondenten: Thomas Roser (tro)

Belgrad - Auch als später Vater ist man in Serbiens Hauptstadt vor neugierigen Nachfragen nicht gefeit. „Ist das Ihr Enkel?“, erkundigte sich kürzlich in der Straßenbahn eine weißhaarige Dame mit Blick auf meinen Gummibärchen kauenden Sohn. „Entschuldigen Sie bitte. Wir Serben sind halt neugierig“, sagte sie lachend und kompensierte den Versuch, mich ihrer eigenen Generation zuzuschlagen, mit einem freundlichen Aushorch-Kompliment: „Woher kommen Sie denn? Sie sprechen unsere Sprache aber gut!“

 

Kommunikation ist mein Korrespondentengeschäft. Doch ein Sprachtalent bin ich ehrlich gesagt nie gewesen. Und egal, in welcher Fremdsprache ich mich zu verständigen suche, meine Herkunft ist immer erkennbar. In einer von Auswanderung geprägten Region, deren Arbeitsemigranten in ganz Europa sich die Sprachen ihrer Gastländer anzueignen haben, ist das zweitrangig – und jeder Fremde mit Kenntnissen der Landessprache willkommen.

Unterlaufen mir an guten Tagen weniger Fehler, werde ich in Belgrad schon mal für einen Slowenen gehalten. Obwohl es Serbisch ist, was ich zu sprechen versuche, werde ich bei Recherchen in Kroatien, Bosnien oder Montenegro stets empfangen mit: „Du sprichst unsere Sprache aber gut!“

Kleinere Unterschiede als von Schwäbisch zu Hochdeutsch

Serbokroatisch lautete einst der offizielle Name der wichtigsten Amtssprache von Jugoslawien. Nach dem Zerfall des Vielvölkerstaats hat der Begriff nur bei ausländischen Linguisten überdauert. Vor allem in Kroatien bemühen sich patriotische Sprachforscher, sich zum Beispiel mit Wortneuschöpfungen von der einstigen Standardsprache abzusetzen.

Nein, ein serbisch-deutsches Wörterbuch habe sie nicht, beschied mir bei einem meiner ersten Sarajevo-Besuche vor Jahren eine Buchhändlerin. Auf meine Nachfrage, welches Wörterbuch Sie mir denn sonst als Ersatz für mein in Belgrad vergessenes Nachschlagewerk empfehle, sagte sie triumphierend: „Bosnisch-Deutsch!“

Vor allem das Kroatische zählt tatsächlich viele ureigene Wörter. Für meine ausländischen Ignoranten-Ohren sind bei Besuchen in Zagreb indes viel geringere Unterschiede zwischen Kroatisch und Serbisch als etwa zwischen Schwäbisch und Hochdeutsch zu erhören. Größere Sprachvarianten sind innerhalb Kroatiens auszumachen. Ob an der dalmatinischen oder montenegrinischen Küste: am Meer hat die von mir mühsam erlernte Sprache dank zahlreicher „j“ einen viel weicheren, fast schon singenden Klang.

„Eure Sprache“ – das geht immer

Komisch muten Versuche in Kroatien an, serbische Filme mit fast identischen Übersetzungstexten zu untertiteln. Bei manchen gescheiterten Friedensverhandlungen während des Bosnienkriegs sollen nationalistische Eiferer sogar auf Simultanübersetzungen bestanden haben. Pragmatisch gehen die panjugoslawischen Dolmetscher beim Kriegsverbrecher-Tribunal von Den Haag zu Werke: Sie übersetzen die auf Englisch geführten Prozesse einfach in „B/K/S“ – „Bosnisch, Kroatisch, Serbisch“.

Ich selbst greife am liebsten zu einem auf dem Flohmarkt erstandenem „Standard“-Wörterbuch von 1953: Serbokroatisch-Deutsch. Den Namen der verschwundenen Amtssprache nehme ich um des Friedens Willen im Vielvölkerreich nicht in den Mund. Bei Bedarf spreche ich lieber von „Eurer Sprache“ – egal wo ich bin.