Sommergewitter, eiskalte Winternächte und nicht zu vergessen, die Bewohner – Unser Südafrika-Korrespondent Johannes Dieterich liebt Johannesburg – ganz egal, was die Werbung sagt. Aber vielleicht ist er ja befangen.

Johannesburg - Wer seinen Namen mit einer Stadt teilt, ist vermutlich befangen. Ich jedenfalls liebe Johannesburg. Seine Energie, die sich im Sommer in Gewittern entlädt, die anderswo den Evakuierungsbefehl auslösen würden; seine eiskalten Winternächte, die selbst hartgesottene Verbrecher hinter dem Ofen halten; seine bewässerten Gärten, die das urbane Zentrum vom Satelliten aus das ganze Jahr über als Regenwaldgebiet erscheinen lassen.

 

Doch die Hauptattraktion der afrikanischen Metropolis sind zweifellos ihre Bewohner. Jene in Lumpen gekleideten Entrepreneure, die auf einer freien Fläche am Rand des Stadtzentrums Kuhköpfe auskochen, um auch noch den letzten, vom Fleischer verschmähten Rest des Nutztiers verwertbar zu machen. Oder die wilden Chauffeure der berüchtigten Minibusse, die einem nach einem mörderischen Ausbremsmanöver auf der Stadtautobahn ein versöhnliches Grinsen schenken. Oder die neureichen Black Diamonds, die mit stolzgeschwellter Brust ihre schwarzen Maserati spazieren fahren. Und wo in aller Welt kann man sonst noch ganz unterschiedliche Fußballländerspiele als Heimspiele erleben, nur indem man sich vom einen Stadtteil in den anderen bewegt: In Yeoville jubeln die Kongolesen, in Rosettenville die Portugiesen, in Hillbrow die Nigerianer. Nur in Randburg jubelt keiner, denn da sind die Schweizer zu Hause.

Die Werbekampagne klingt zu schön, um wahr zu sein

Es ist diese Faszination des „afrikanischen New Yorks“, den seine Stadtväter zu einer Werbekampagne nutzen wollten. Darin wird der urbane Dschungel als „Afrikanische Stadt der Weltklasse“ beschrieben und im einzelnen ausgeführt: „Stellen Sie sich eine Stadt vor, die finanziell stabil ist. Die immer mehr Häuser mit Strom versorgt und die ihre Umwelt mit effektiven Interventionen schützt. Eine Stadt, die trotz der weltweiten Rezession immer neue Arbeitsplätze schafft. Können Sie sich vorstellen, in einer solchen Stadt zu leben? Sie tun es bereits!“

Man hätte annehmen können, dass die Radiokampagne den Johannesburgern wie Musik in den Ohren klingt. Wer wollte sich in der Wahl seines Wohnorts nicht von solch wunderbaren Worten bestätigt fühlen? Mindestens auf einen der 4,5 Millionen Johannesburger traf das allerdings nicht zu: Steven Haywood, der sich im sozialen Netzwerk LinkedIn als Banker zu erkennen gibt. Er zog wegen des Spots vor das Branchengericht, die „Behörde für Standards in der Werbeindustrie“, kurz Asa genannt. Bei dem Lobgesang der Werber handele es sich um „glatte Lügen“, schimpfte Haywood. Keine der im Spot aufgestellten Behauptungen hätten auch nur entfernt etwas mit der Wahrheit zu tun.

Ist die Metropole in Wirklichkeit ein Moloch?

Nun weiß jeder, dass es sich bei der ehemaligen Goldstadt um kein Pflaster für Zartbesaitete handelt. Doch Haywood unterfütterte seine Beschwerde mit handfesten Beweisen. Die reichste Metropole Afrikas sei weit davon entfernt, „finanziell stabil“ zu sein, und in den letzten drei Jahren von den Rechnungsprüfern kein einziges Mal entlastet worden. Trotz der angeblichen umweltverträglichen Interventionen versinke die Stadt wie jeden Winter auch derzeit wieder unter einer Smogglocke. Und statt Jobschwemme herrsche in Afrikas Industriehochburg eine Arbeitslosenrate von 25 Prozent – unter Jugendlichen sei der Anteil der Verzweifelten sogar noch höher. Bei der „Weltklassestadt“ handele es sich in Wahrheit um einen Moloch mit rapide wachsenden Slums, immer größer werdenden Schlaglöchern, periodischen Stromausfällen und chronischen Müllproblemen, argumentierte der Kläger. Und die Richter gaben ihm Recht.

Der Werbespot sei sofort aus dem Verkehr zu ziehen, befand Asa. Er kommuniziere eine „missverständliche Botschaft“ über das tatsächliche Wohlbefinden der Bevölkerung. Vermutlich sitzen in dem Gremium nur bleichhäutige Hasenfüße, die sich vor gekochten Kuhschädeln und Gewittern fürchten. Mich, der seinen Namen mit dem Moloch teilt, hat jedenfalls keiner nach dem Befinden befragt.