Kreative und geschäftstüchtige Menschen in der Ukraine schlagen aus der Revolution Profit. Nur mangelt es an Touristen, die Accessoires mit dem Haupt des Kreml-Chefs Putin kaufen, hat unser Korrespondenten Knut Krohn festgestellt.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Lemberg/Ukraine - Wer kennt diesen Zopf nicht? Blond und kunstvoll geflochten, windet er sich um das ebenmäßige Antlitz von Julia Timoschenko. Jener ebenso hübschen wie energischen Politikerin, die in der Ukraine schon kurz nach dem Ausbruch der Orangenen Revolution vor ziemlich genau zehn Jahren zum berühmtesten Gesicht der Freiheitskämpfer aufgestiegen ist. Wie eine Offenbarung stand sie in Kiew auf dem Maidan, immer in Weiß gekleidet, neben dem von einem Giftattentat böse entstellten Mitkämpfer und späteren Präsidenten Viktor Juschtschenko.

 

Ihr madonnenhaftes Gesicht wurde zur Ikone der Bewegung und lächelte hernach verklärt von Postern, Tassen, Taschen, Schlüsselanhängern und sogar Aschenbechern den Anhängern entgegen. Es entstand eine regelrechte Industrie, die mit dem Verkauf der populären Erinnerungsstücke viele Millionen verdient hat.

In diesen Wochen nun fegte in der Ukraine wieder einmal ein Umsturz eine Regierung in Kiew samt Präsidenten aus dem Amt. Doch die Revolutionäre haben diesmal ein Problem: Ihnen fehlt ein neuer Zopf, ein Symbol, mit dem sich die Massen identifizieren können.

Die Frau mit dem Zopf war eine Ikone

Das ist nicht nur ein großer Nachteil für die Politik, sondern auch noch schlecht für das Geschäft. Zwar werden blau-gelbeukrainische Flaggen mit dem Sternenkreis der Europäischen Union darin verkauft, die die Zugehörigkeit des Landes zu Europa verdeutlichen sollen, doch hat dieses Motiv keine wirkliche Anziehungskraft. Die Botschaft ist zwar klar, aber diese kommt nicht gerade emotional rüber.

In der Ukraine arbeiten aber viele kreative und geschäftstüchtige Menschen. Die haben sich die Köpfe zerbrochen, wie sie auch aus dieser Revolution Profit schlagen können. Da kam ihnen der bahnbrechende Gedanke: Wenn Menschen nicht für etwas sind, dann sind sie doch gegen etwas. Also machten sie sich auf die Suche nach der im Moment meist gehassten Person der Ukraine – und wurden natürlich schnell fündig:Wladimir Putin!

Diesmal will man mit dem Feind Geschäfte machen

Also prangt jetzt das kantige Gesicht des russischen Präsidenten mit grimmigem Blick auf Taschen, Tassen, Schlüsselanhängen und auch auf Aschenbechern. Der Höhepunkt des Ideenreichtums aber ist eine Fußmatte mit der Aufforderung darauf, sich die Schuhe daran abzuputzen. In Lemberg etwa kann man das ausgefallene Souvenir auf dem Touristenmarkt für knapp fünf Euro erstehen. Das sei alles von Hand gemacht, verspricht der eloquente Verkäufer. Er habe eine Schablone ausgeschnitten, im Baumarkt herkömmliche Schuhabstreifer gekauft und dann das Konterfei Putins mittels der Vorlage darauf gesprüht. Fertig. So richtig zufrieden ist er mit dem Absatz allerdings nicht. Wegen der Krise kämen im Moment nur wenige kaufkräftige Touristen aus dem Ausland nach Lemberg, erzählt der junge Mann. Im Angebot hat er nicht nur den ungeliebten Putin, sondern auch den aus dem Amt gejagten Präsidenten Victor Janukowitsch. Der sei allerdings ein echter Ladenhüter, sagt der Händler. Aber den Regierungschef habe zumindest in Lemberg schon früher keiner gemocht.