Unsere Autorin Annegret Jacobs forscht für ihre Doktorarbeit einige Monate lang in Weißrussland. Ihr erster Behördengang in Minsk war eine Odyssee, immerhin mit Happy End.

Minsk - Bisher war ich mir ziemlich sicher, dass mein Lebenswandel so anständig gewesen ist, dass kein Staat dieser Welt mir einen zeitlich befristeten Aufenthalt verweigern würde. Seit einer Woche lebe ich in der weißrussischen Hauptstadt Minsk, seitdem sind mir Zweifel gekommen. Der Verwaltungsakt meiner Registrierung drohte, eine Odyssee zu werden. „Wir melden dich im Proletarierbezirk an, dort sind sie unkompliziert“, hatte Antanina, meine Mitbewohnerin, entschieden. Fünf Werktage hat ein Ausländer Zeit, um in Belarus seinen Aufenthalt zu registrieren. Auf der Wache schaut der Beamte nur gelangweilt über meine Papiere, drückt mir einen Bogen in die Hand, der noch auszufüllen und zu stempeln ist. „Kommen Sie am Montag wieder.“

 

Als ich am Montag wiederkomme, hat seine Kollegin Dienst. „Was ist das?!“, schreit sie, als sie den Bogen sieht. Ich hatte eine Angabe korrigiert und dazu ein Wort durchgestrichen. „Schmiererei! Das kann ich nicht annehmen.“ Der Einwand, den Bogen neu auszufüllen und mit dem bereits von einer anderen Behörde gestempelten Papier einfach zusammenzuheften, lehnt sie ab. „Hier haben die Dinge ihre Ordnung!“, zischt sie. Also, erneut eine Reise quer durch die Stadt: für eine neue Unterschrift und einen neuen Stempel. Die Metrostationen Traktorfabrik, Proletarier, Partisanen, Oktoberplatz und Leninplatz rauschen an mir vorbei.

Aber bitte auf Russisch!

Neuer Versuch am Dienstag. Diesmal nimmt die Dame meine Auslandskrankenversicherung unter die Lupe. „Wie hoch ist Ihre Versicherungssumme im Sterbefall?“, herrscht sie mich an. Und: „Warum haben Sie das Dokument nicht auf Russisch mitgebracht?“ Meine Existenz in diesem Land wird auf eine harte Probe gestellt. Ich verspreche, eine Übersetzung aller Dokumente ins Russische bei meiner deutschen Krankenversicherung anzuregen. Vielleicht entspannt ein Scherz die Situation. Minsk sei so schön, da komme man gar nicht auf den Gedanken zu sterben. Ein Fehler. „Wo ist Ihre Aufenthaltsgenehmigungskarte?“, faucht die Beamtin. Mir wird heiß. Die liegt in der Wohnung – und heute läuft die Frist für meine Anmeldung ab. Wie kann ich die drohende Ausweisung, zumindest aber eine astronomisch hohe Strafe abwenden? „Ihr Problem!“, sagt die Frau unbarmherzig. Nur wenn ich morgen um 7 Uhr auf die Wache komme, könne sie – vielleicht! – noch etwas tun.

Alles kommt auf den Tisch, sogar der Impfpass

In der Nacht gelingt es mir nicht, das Problem der zu niedrigen Sterbefallversicherung zu lösen. Um das zu kompensieren, packe ich zu meiner Aufenthaltsgenehmigungskarte meinen Impfpass ein. Ich bin gewillt, alle offiziellen Dokumente meiner Existenz hier in Minsk auf den Tisch zu legen. Gegen 6 Uhr am Mittwochfrüh haste ich die Stufen der Metrostationen hinunter. Die Haltestellen Leninplatz, Oktoberplatz, Partisanen und Proletarier rauschen an mir vorbei.

Heute öffnet die Registrierungsbehörde um 11 Uhr, lese ich dann um 6.45 Uhr. Bourgeoise Vergnügungseinrichtungen wie Cafés, in denen man an einem regnerischen Morgen ein paar Stunden verbringen kann, gibt es im Proletatierbezirk nicht. „Ach, geben Sie her“, sagt der Beamte vom Samstag, der mich durch die morgendlich verwaisten dunklen Gänge schleichen sieht, nickt mir zu und zieht eine Kopie meiner Aufenthaltsgenehmigungskarte. Ich hätte ihn mitten auf den Schirm seiner Suppentellermütze küssen wollen!