Die ganze Welt feiert am 14. Februar den Tag der Verliebten. Bloß die Brasilianer warten lieber noch vier Monate. Was in Brasilien am 12. Juni abgeht, beschreibt Wolfgang Kunath in seiner E-Mail aus Rio.

Rio de Janeiro - Valentinstag? Fällt flach in Brasilien. Er wird einfach ignoriert. Das ist umso merkwürdiger, als es hier für alles und jedes einen Gedenk- und Feiertag gibt. Der Februar zum Beispiel beginnt mit dem Tag der Werbefachleute, am 2. gefolgt vom Tag des Steuerbeamten. Am 5. ehrt der Kalender die Zunft der Hautärzte, die sich den Termin allerdings mit der Mammografie teilen muss. Neben dem Drucker (7.), dem Hausmeister (11.) und dem religiöse Betreuungsdienst des Heeres (13.) erfahren im Februar auch der Reporter (16.) und das Mittelschulwesen (18.) ihre kalendarische Würdigung. Mit dem Tag der italienischen Immigration (21.), dem des Komödianten (26) und des Schulbuchs (27.) neigt sich der Februar sicherlich würdig seinem Ende zu. Aber warum wird der 14., der Tag des heiligen Valentin, ausgerechnet im sonst so frommen Brasilien nicht als Ehrentag der Liebenden begangen?

 

Was hat es mit dem 12. Juni bloß auf sich?

Die Brasilianer warten lieber noch vier Monate und feiern ihren „Tag der Verliebten“ am 12. Juni – und warum? Besteht etwa ein geheimnisvoller Zusammenhang mit der Luftpostbeförderung, die am gleichen Tag geehrt wird? Nein, aber der 13. Juni würdigt Sankt Antonius, den Schutzheiligen der Eheleute und auch der Schwangeren. Da ist es logisch, dass die Verliebten ihr Verliebtsein einen Tag vorher feiern.

Idealerweise beginnt der „dia dos namorados“ mit einer Fahrt ins Einkaufszentrum, denn Schmuckhändler, Handy-Firmen und Kaufhaus-Ketten haben die verliebten Kunden und Kundinnen seit Wochen mit Anzeigen-Kampagnen weichgeklopft für die Konsumorgie. Abends folgt dann die Fressorgie, am besten natürlich bei Kerzenschein in einem Restaurant, vor dessen Tür die Brasilianer am 12. Juni wieder mal ihre beneidenswerte Geduld beim Warten und Schlange stehen unter Beweis stellen können.

Die dritte Orgie des Tages findet im Motel statt

Die dritte Orgie des Tages findet im Idealfall im Motel statt, was in Brasilien immer und ausnahmslos ein Stundenhotel ist. Motel-Zimmer haben den Vorzug, dass sie stets etwas verruchter ausstaffiert sind als normale Schlafzimmer: Mit Mini-Bar, Erotik-Filmchen, verspiegelter Zimmerdecke, eventuell Hydromassage und Tanzfläche. Und Fernsehen kann man natürlich auch.

Dem Herrenmagazin „El hombre“ zufolge ist das Le Baron in São Luis das beste Motel Brasiliens. Wie auch immer, jedenfalls überzeugt das Etablissement durch seine große Auswahl an Themen-Suiten, etwa die arabische, die römische, die afrikanische, die indische und natürlich die französische. Le Baron bietet auch unkonventionelle Umgebungen für das Liebesspiel: Tarzan, Sado, Esoterik, Elektronik, Büro, Zugwaggon, Flugzeug. Oder die Suite Super Pit-Stop: Den „dia dos namorados“ in einem echten Lkw-Fahrerhaus zu verbringen, das ist doch etwas anderes als immer nur Blumen und Konfekt.