In Antwortmails an Kunden darf keine Werbung hineingeschmuggelt werden. Das hat jetzt der Bundesgerichtshof nach der Klage eines Mannes aus Göppingen entschieden.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Karlsruhe/Stuttgart/Göppingen - Die Entscheidung, die der sechste Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) am Mittwoch bekannt gegeben hat, betrifft zunächst nur die Sparkassen-Versicherung (SV). Sie könnte aber dazu führen, dass bundesweit in unzähligen Unternehmen die Texte automatisch generierter Mails umgeschrieben werden müssen. Denn nicht nur der Versicherungskonzern mit Sitz in Stuttgart, auch viele andere Firmen nutzen die Möglichkeit, in Antwortmails an ihre Kunden ganz nebenbei Werbebotschaften unterzubringen. Dies aber, so stellten die Richter laut dem Tenor ihres Urteils jetzt klar, ist gegen den Willen des Empfängers nicht zulässig. Eine ausführliche Urteilsbegründung steht noch aus (Az.: VI ZR 134/15).

 

Der Kunde hat provoziert, sagt der Anwalt

Der Kläger, ein 35-jähriger Mann aus Göppingen hatte sich im Dezember 2013 per Mail an die SV gewandt, um zu erfahren, was aus einer schriftlich eingereichten Kündigung seiner Gebäudeversicherung geworden ist. Schon nach wenigen Sekunden erhielt er eine Antwort, die ihn wenig befriedigte. Danke, die Mail sei eingegangen und werde bearbeitet. Und übrigens: Unwetterwarnungen gebe es „exklusiv für SV-Kunden“ jetzt kostenlos aufs Handy. Der Göppinger zählte nach: Exakt 246 Buchstaben entfielen auf die Eingangsbestätigung, 371 aber auf die Werbung. Die selbe Botschaft erhielt er, als er sich einen Tag später in einer E-Mail an den SV-Datenschutzbeauftragten über die Werbung in der Antwortmail beschwerte. Und auch als er sich eine Woche später noch einmal elektronisch nach dem Sachstand erkundigte, verhielt es sich nicht anders.

Das sei doch kein Wunder. Mit seinen wiederholten E-Mails an die immer gleiche Adresse habe er solches provoziert, hatte der Anwalt der Beklagten vor Gericht argumentiert. Viele Internetnutzer sehen es ähnlich, wie sich an den Reaktionen auf den Fall im Netz ablesen lässt. Es sei eine Frechheit, wegen der paar Zeilen, die sich leicht ignorieren ließen, die Gerichte zu bemühen und durch alle Instanzen zu klagen, meinen viele. Die Bundesrichter hatten aber offenbar durchaus ihre professionelle Freude an dem Fall. Wenigstens mit der Übersendung der letzten Mail, urteilten sie, habe die Versicherung den Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Schließlich habe der Mann zuvor ausdrücklich erklärt, keine Werbung von der SV erhalten zu wollen. Nach dem Datenschutzrecht ist Direktwerbung per E-Mail ohne vorherige Einwilligung nicht zulässig.

Muss der Vorstandsboss hinter Gitter?

Dem Versicherungskonzern drohen bei Zuwiderhandlung nun saftige Strafen. Sollte die SV noch einmal mit dem Kläger ohne dessen Einverständnis Kontakt aufnehmen sei ein Ordnungsgeld von bis zu 250 000 Euro oder ersatzweise eine Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten fällig, so die Richter. Diese müsste dann ein Vorstandsmitglied der Versicherung absitzen, wobei es dazu nicht kommen dürfte. Zum einen obliegt die Festsetzung der tatsächlichen Höhe der Strafe dem zuständigen Amtsgericht. Zum anderen hatte die Sparkassenversicherung schon vor Beginn des letztlich über drei Instanzen laufenden Rechtsstreits für alle Kunden sämtliche Werbebotschaften aus ihren Auto-Reply-Mails in weiser Voraussicht gelöscht.

„Der Fisch ist geputzt“, das Bundesverfassungsgericht oder den Europäischen Gerichtshof werde man mit dem Fall gewiss nicht belästigen, sagte die SV-Pressesprecherin Sylvia Knittel. Bestätigungsmails werde man weiterhin verschicken, aber eben ohne Werbezusatz. Allerdings habe man den Hinweis auf die Unwetter-App gar nicht als Werbung empfunden. „Die kostet unsere Kunden ja keinen Cent.“ Der Ludwigsburger Medienanwalt Ralf Kitzberger, der den Kläger vertreten hatte, begrüßte das Urteil. Das Karlsruher Machtwort nutze allen Verbrauchern.