E-Mobil-Fahrer in Stuttgart ärgern sich über als Stellplätze missbrauchte Halteflächen an öffentlichen Ladestationen. Doch Verstöße festzustellen, ist nicht einfach.

Stuttgart - Ein Quäntchen Glück gehört wohl mittlerweile dazu, einen freien Ladeplatz in der Innenstadt zu finden. Jana Höffner, die zweite Vorsitzende des Vereins Electrify BW, erzählt, dass es bei ihr erst kürzlich auf Anhieb an der Hauptstätter Straße geklappt habe. Sie schildert es so, als sei das ungewöhnlich.

 

Ihr Verein will die Elektromobilität in Baden-Württemberg voranbringen. Fährt Höffner mit ihrem eigenen E-Mobil in die Innenstadt, erlebt sie, dass die Infrastruktur mit den Visionen ihres Vereins nur bedingt Schritt hält.

Fahrer lassen ihr E-Mobil stehen

Gerade an der viel befahrenen Theodor-Heuss-Straße seien die Chancen auf einen freien Ladeplatz gering, berichtet Höffner. „Manche schließen dort morgens ihr Fahrzeug zum Laden an und lassen es den ganzen Tage an der Säule stehen“, sagt Höffner.

Der Missbrauch der Ladestationen als Stellplätze verursacht offenbar Missgunst zwischen den Fahrern von reinen Elektromobilen und Hybrid-Fahrzeugen. Manche Elektrofahrer argumentieren, dass die Besitzer von Hybrid-Autos bei nachlassenden Akkus tagsüber ihren Verbrennungsmotor nutzen und abends den Akku in der heimischen Garage aufladen könnten.

Hybrid-Fahrer sollen laden können

Jana Höffner von Electrify-BW hält Hybrid-Fahrzeuge zwar generell nicht für sinnvoll. „Wenn sie aber schon unterwegs sind, sollten sie so weit wie möglich nur elektrisch fahren. Deshalb finde ich es in Ordnung, wenn Hybrid-Fahrer Ladestationen benutzen.“

Das Problem sieht die Aktivistin für Elektromobilität eher darin, dass niemand das Halten mit voll geladenem Akku an einer Ladestation ahndet. Das lässt sich einfach erklären: Nichts weist derzeit einen Knöllchen verteilenden Ordnungshüter darauf hin, dass ein Auto bereits voll geladen ist und der Fahrer sein Fahrzeug weiter einfach stehen lässt. „Wir brauchen deshalb eine Parkscheinregelung für die Ladesäulen“, sagt Höffner.

Stadt forciert Ausbau

Michael Hagel ist bei der Stadt für die Elektromobilität zuständig. Er legt Zahlen vor, die belegen, dass es mit dem Ausbau der Ladeinfrastruktur in Stuttgart vorangeht. Ziel sei es, im öffentlichen Straßenraum bis Ende 2021 rund 1000 Ladepunkte zu errichten, erläutert Hagel. Jede neue Station verfügt über zwei Ladepunkte. „Wir suchen insgesamt sogar 346 neue Standorte“, erklärt er.

Im vergangenen Jahr wurde in einer Studie allerdings dargelegt, dass die Stadt allein in diesem Jahr 300 neue Ladestationen benötigt, um mit dem Bedarf mitzuhalten. Eine wirkliche Entspannung bei der Suche nach freien Ladestationen dürfte aber nur ein über die aktuelle Nachfrage hinausgehender Ausbau mit sich bringen.

Bund entscheidet über Gestaltung

Hagel kennt die Beschwerden über zum Parken genutzte Ladestationen. Lösen ließe sich das Problem aus seiner Sicht nur, wenn die Säulen den Ladestand eines angeschlossenen Fahrzeugs anzeigten. „Dann könnte der Vollzugsdienst einen Verstoß erkennen“, sagt Hagel. Über die Gestaltung der Stationen entscheide allerdings eine bundesweit gültige Ladesäulenverordnung, berichtet er. „Die müsste dann geändert werden“, sagt der Mitarbeiter der Verwaltung.

Auf erlaubte Ladezeiten hinweisende Schilder brächten eigene Probleme mit sich, erläutert er. Hagel verweist auf das Beispiel Berlin. Dort zeigen Schilder an, dass die erlaubte Ladezeit zwischen 8 und 18 Uhr auf vier Stunden begrenzt ist. „Wer in Berlin an einer solcherart beschilderten Ladesäule um 18.01 Uhr seinen Verbrenner parkt, hat gute Karten, gegen ein Bußgeld Widerspruch einzulegen, mit dem Hinweis, das Schild falsch interpretiert zu haben“, meint Hagel.

EnBW verteidigt Abrechnungsmodus

Die EnBW hält daran fest, dass eine Abrechnung nach Kilowattstunden transparenter und fairer sei als eine Erfassung der Zeit. Der EnBW-Sprecher Heiko Willrett verweist auf die unterschiedlichen Ladezeiten bei E-Mobilen. Technisch denkbar sei eine Kombination von Kilowatt- und Zeiterfassung. Nach einer gewissen Zeit wird dann neben dem Stromverbrauch eine Gebühr für das Halten an der Zapfsäule erhoben.

Der Betreiber fürchtet bei einer gekoppelten Abrechnung nach Zeit- und Stromverbrauch allerdings eine Benachteiligung von E-Fahrern ohne eigenen Parkplatz mit Steckdose. „Wer bei einer solchen Regelung abends sein Fahrzeug an einer öffentlichen Säule anschließt, muss dann mitten in der Nacht aufstehen und das Auto wegfahren, um hohe Kosten zu vermeiden“, sagt Willrett.

Betreiber setzt auf Rücksichtnahme

Im Moment belässt es der Betreiber bei einem Appell an die gegenseitige Rücksichtnahme der Fahrer. „Wir setzen darauf, dass die Menschen lernfähig sind. Sollte das nicht ausreichen, müssen wir noch einmal über eine zusätzliche Standgebühr nachdenken“, sagt Willrett.