Ursprünglich sollte die Digitalverschreibung schon im Januar bundesweit zur Pflicht werden. Mit neuen Vorgaben soll das Mammutprojekt nun mit mehr Tempo vorangebracht werden.

Nach einer langen Hängepartie haben sich Vertreter des Gesundheitswesens auf die weiteren Schritte zur Einführung des E-Rezepts geeinigt. Ab dem 1. September sind Apotheken in ganz Deutschland dazu verpflichtet, die Digitalverschreibungen anzunehmen. Für Ärzte gilt diese Pflicht vorerst aber nicht - hier ist ein regionales Stufenmodell geplant.

 

Wie die zuständige halbstaatliche Firma Gematik am Mittwoch in Berlin mitteilte, sollen in Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe ab September verstärkt E-Rezepte ausgestellt werden. Ab dann sollen in einem Pilotverfahren immer mehr Praxen und Klinken dazukommen, damit die Nutzung stark nach oben geht und schließlich von einer flächendeckenden Anwendung die Rede sein kann.

Einführung soll nach und nach erfolgen

Angedacht ist zudem, dass die Digitalverschreibung in diesen beiden Regionen auch für die Praxen und Klinken ab Dezember 2022 zur Pflicht wird. Voraussetzung hierfür ist aber, dass die Gesellschafter der Gematik - neben dem Bund auch Ärzte-, Klink- und Kassen-Organisationen - mit der Pilot-Einführung zufrieden sind und ihn als Erfolg werten. Ebenfalls im Dezember soll die sukzessive Einführung des E-Rezepts in sechs weiteren Bundesländern starten und der Rest im kommenden Jahr. Auch dies steht unter Vorbehalt. Welche Bundesländer in welcher Phase starten sollen, ist noch offen.

Ursprünglich sollte die Digitalverschreibung schon im Januar bundesweit zur Pflicht werden. Mit dem Mammutprojekt sollte die Digitalisierung des Gesundheitswesens vorangebracht werden - statt rosa Zettelchen sollten einen Code auf ihr Smartphone bekommen, mit dem sie in der Apotheke das gewünschte Medikament bekommen. Wer die dafür nötige App nicht hat oder kein Smartphone benutzt, bekommt den Code ausgedruckt auf einem Zettel. Das E-Rezept gilt nur für gesetzlich Versicherte und nicht für Privatversicherte.

Projekt kommt nicht in Fahrt

Das Projekt kam lange Zeit nicht voran. Eine Testphase in Berlin-Brandenburg im vergangenen Jahr verpuffte. Danach startete eine bundesweite Testphase, an der Praxen freiwillig mitmachen können, mit Verspätung. Aus der Ärzteschaft kam scharfe Kritik an dem Vorhaben, sie fürchtete Umsetzungsprobleme im Alltag. Auch unter den Krankenkassen und Apothekern gab es Vorbehalte.

In der bislang laufenden bundesweiten Erprobungsphase wurden in sechs Monaten gut 24 000 E-Rezepte eingelöst. Gemessen an den jährlich etwa 500 Millionen Rezepten, die in Deutschland auf Papier ausgestellt werden, ist das ein verschwindend geringer Anteil. Immerhin zeigt die Kurve der Digitalverschreibungen nach oben. Die nun beschlossenen Vorgaben sollen zu mehr Tempo führen.

Karl Lauterbach wirbt für E-Rezept

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) pries das E-Rezept am Mittwoch als „Gewinn für Patienten, Ärzte und Apotheker“ an. Es steigere die Arzneimittelsicherheit und erspare Zeit und Wege. „Das E-Rezept wird sich in der Praxis bewähren und dann schnell bundesweit Anwendung finden“, erklärte der Minister. „Es ist der Beginn der überfälligen digitalen Revolution in unserem Gesundheitssystem.“

Der Gematik-Beschluss betrifft auch die Apotheken - für sie gilt ab dem 1. September die bundesweite Pflicht, die Digitalverschreibung anzunehmen. Ein Großteil der Apotheken ist ohnehin schon bereit. Der Deutsche Apothekerverband begrüßte die Vorgaben der Gematik. „Wir stellen uns der digitalen Transformation und sind für die konsequente Einführung des E-Rezeptes“, sagte der Verbandsvorsitzende Thomas Dittrich. „In den kommenden drei Monaten werden die Apotheken nun auch ihr Personal vollständig schulen, damit Hardware, Software und deren fachgerechte Bedienung reibungslos ineinandergreifen können.“

Ärzte fürchten technische Probleme

Sorge haben die Apotheken vor „Retaxationen“: Dass sie ein Medikament aushändigen, für das E-Rezept später von den Kassen aber nicht das erwartete Geld bekommen. So ein Fall ist der Gematik bei den bisher eingelösten Digitalverschreibungen allerdings nicht bekannt.

Unter Ärzten ist die Skepsis groß - sie fürchten Alltagsprobleme, sollte es mit der Technik hapern. Dass für die Praxen kein Pflichttermin beschlossen wurde, registrierte der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, mit Erleichterung. Er stellte infrage, ob so eine Pflicht nötig ist. „Wenn die Anwendung funktioniert und einen Mehrwert für die Patientinnen und Patienten und die Ärztinnen und Ärzte bietet, wird sich das E-Rezept von ganz allein durchsetzen“, sagte er. „Ein Zwang zur Nutzung würde den Eindruck erwecken, dass die Verantwortlichen selbst von dem Mehrwert der Anwendung nicht restlos überzeugt sind.“