Bisher stand der deutsch-französische Luft- und Raumfahrtkonzern EADS bei wichtigen strategischen Entscheidungen unter der Regierungsaufsicht Berlins und Paris’. Nun wird das staatliche Vetorecht abgeschafft.

Korrespondenten: Stefan Brändle (brä)

Amsterdam - Für eine blumige Sprache war Thomas Enders noch nie bekannt. „Wir bewegen uns von einem System in ein anderes“, sagte der deutsche EADS-Vorsitzende am Mittwoch zum Auftakt der Aktionsärsversammlung in Amsterdam. Damit meinte der 54-jährige Hobby-Fallschirmspringer nichts weniger als eine Revolution. Die im Jahr 2000 gegründete „European Aeronautic Defence and Space Company“, kurz EADS, entledigt sich weitgehend ihrer staatlichen Fesseln. Ihr bisheriger Aktionärspakt wird ersatzlos gestrichen. Deutschland und Frankreich halten in Zukunft nur noch je 12 Prozent der Anteile, Spanien kommt auf 4 Prozent. Der Staatseinfluss beschränkt sich damit auf 28 Prozent des Kapitals - weniger als die Sperrminderheit. Der Rest des Kapitals wird an der Börse gehandelt.

 

Abgeschafft wird insbesondere das Vetorecht der beteiligten Staaten. EADS könne damit selbstständig „Übernahmen, Allianzen und Fusionen“ beschließen, sagte Enders. Das war eine unverhüllte Anspielung auf die vor Jahresfrist gescheiterte Annäherung zwischen EADS und der britischen BAE Systems, die noch vor der amerikanischen Boeing einen neuen weltweiten Branchenführer geschaffen hätte. Dagegen hatte sich die deutsche Kanzlerin Angela Merkel gesträubt. Enders hat seither verschiedentlich durchblicken lassen, dass er diese „Jahrhundertfusion“ keineswegs vom Radar gestrichen habe.

Die drei betroffenen Regierungen verlieren auch ihr Mitspracherecht bei der Bestellung des zwölfköpfigen Verwaltungsrates. Kaum gewählt, zog sich das aus Vertretern von sechs Nationen bestehende Gremium am Mittwoch zurück, um seinen Vorsitzenden zu wählen. Als Favorit gilt Denis Ranque (61), früherer Vorsteher des Pariser Rüstungsunternehmens Thales. Der 61-jährige Ingenieur versteht sich gut mit Enders; er genoss hingegen nicht unbedingt den Vorzug der französischen Regierung, die lieber die neue Verwaltungsrätin Anne Lauvergeon - die ehemalige Chefin des Atomkonzerns Areva - an der EADS-Spitze gesehen hätte. Der neue deutsche Vertreter Hermann-Josef Lamberti, der früher für die Deutsche Bank tätig gewesen ist, war ebenfalls kein Kandidat Berlins.

Daimler wird ausgezahlt

Die Aktionäre beschlossen ferner mit großer Mehrheit, dass EADS 15 Prozent seiner eigenen Aktien aufkauft. Das ermöglicht es, die Aussteiger Lagardère und Daimler auszuzahlen. Der französische Medienkonzern und der deutsche Autohersteller hatten bisher stellvertretend für ihre Herkunftsländer wichtige Anteile an dem EADS-Koloss mit einem Jahresumsatz von 56 Milliarden Euro) gehalten.

Um diesen Aktienrückkauf im Umfang von sechs Milliarden Euro ist in Paris eine Debatte entbrannt. Die Präsidentin des wichtigsten französischen Vereins von Kleinaktionären (Adam), Colette Neuville, wirft den EADS-Aktionären vor, „die Ressourcen zu verschleudern, bloß um die Gewinne zu maximieren“. Indem das Unternehmen die Hauptaktionäre bis zu einem Börsenkurs von 50 Euro auszahle, vernachlässige es nötige Investitionen. EADS habe „mit seinem Geld Besseres zu tun, nämlich Flugzeuge zu bauen und die Forschung zu entwickeln“. Gewerkschaften monieren ihrerseits, dass EADS den 140 000 Angestellten Einsparungen von drei Milliarden Euro abverlange, sich bei den Großaktionären aber mit einem doppelt so hohen Betrag dafür bedanke, dass sie dem Unternehmen den Rücken kehrten.

Wie üblich bei dem Drei-Länder-Konzern mit den Zweigen Airbus, Eurocopter-Hubschrauber, Astrium-Satelliten und Cassidium-Raketen sind beiderseits des Rheins auch Stimmen zu hören, dass man zu kurz komme. Deutschland bedauert die Gewichtsverlagerung von den EADS-Büros München und Paris an die Geschäftszentrale im südfranzösischen Toulouse.

Ganz anders klingt es in Frankreich: Enders’ zentraler Posten bleibe deutsch besetzt. Die deutsche Bundeskanzlerin werde bei wichtigen Fragen wie der BAE-Fusion nach wie vor ihren Einfluss geltend machen - denn erstmals zeichne die deutsche Regierung indirekt Kapitalanteile, nachdem bisher Daimler die deutschen Interessen vertreten habe.