Nach Protesten gegen den Teilabbruch der East Side Gallery hat der Investor einen vorläufigen Baustopp verkündet. Klaus Wowereit will sich für den Erhalt des bemalten Teilstücks des Mauerfragments einsetzen.

Berlin - Die lautstarken Proteste gegen den Abriss der East Side Gallery in Berlin haben gewirkt. Vorsorglich postierte sich am Montagmorgen noch eine Mahnwache mit Trommler am Spreeufer in Friedrichshain-Kreuzberg, doch da hatte der Investor, für dessen geplanten Wohnturm erneut ein Teil des 1990 von Künstlern bemalten Reststücks der Berliner Mauer weichen soll, schon einen Rückzieher gemacht.

 

Maik Uwe Hinkel, ein Anbieter von Luxusimmobilien, verkündete einen vorläufigen Baustopp. Man müsse sich aber einigen, wer für die entstehenden Mehrkosten aufkomme. Hinkel fühlt sich zu Unrecht als Buhmann behandelt, so beklagt er in Interviews. Er erklärt sich sogar bereit, an anderer Stelle zu bauen, wenn man ihm denn ein Ersatzgrundstück anbiete. Bis in die USA und nach Japan hat die Zerstörung an der East Side Gallery Wellen geschlagen. Nicht zuletzt durch das offizielle Tourismus-Marketing der Stadt wurde das bunte Stück Mauer weltweit zum Begriff und zu einem der meistfotografierten Orte Berlins.

Der Investor argumentiert, er habe mit dem Abriss nur Vorgaben des Bezirks erfüllt. Bezirk und Senat schieben sich unterdessen gegenseitig den Schwarzen Peter wegen der Vertragsgestaltung mit dem Bauunternehmer zu. Der Regierende Bürgermeister und Kultursenator Klaus Wowereit will sich für die Erhaltung des Mauerstücks einsetzen. Am 18. März findet ein Gespräch des Forums Stadt-Spree zur Entwicklung der begehrten Wasserlagen statt. Verwaltung, Anwohner und Investoren sitzen dabei an einem Tisch. Der Dialog könne allerdings nur dann aufrichtig geführt werden, wenn bis dahin keine vollendeten Tatsachen an der East Side Gallery geschaffen würden, stellt Florian Graf, der CDU-Fraktionsvorsitzende im Berliner Abgeordnetenhaus, in einem Brief an Hinkel klar.

Andere Teilabschnitte der Mauer gelten als authentischer

Beim Dialog geht es um die „Tsunami-Gentrifizierung“, wie Kritiker die rapide Veränderung des Viertels nennen. Thema wird auch die Frage sein, was denn als Mauergedenkstätte taugt. Bisher hat der Senat wenig getan, um die unter Denkmalschutz stehende, 1,3 Kilometer lange East Side Gallery zu unterhalten. Andere Orte wie beispielsweise die Gedenkstätte Berliner Mauer an der Bernauer Straße, wo das ganze Grenzsystem noch sichtbar ist und die Geschichte der Mauer dokumentiert und erforscht wird, gelten als authentischer.

Die Schrecken von einst nachfühlbar zu machen, kann aber nicht der einzige Maßstab für ein Denkmal sein, findet der Jazzmusiker Andreas Brunn. Wie Tausende anderer Berliner ruft er zum Protest gegen die Zerstörung der East Side Gallery und gegen eine Luxusbebauung auf dem ehemaligen Todesstreifen auf. Ein Jahr vor der Maueröffnung ist er aus Thüringen in die Nachbarschaft gezogen. Zwar sei das von mehr als hundert Künstlern bemalte Mauerstück ein Rest der martialischen Grenzbefestigung, aber gerade in dieser Form „eine in aller Welt verstandene Erinnerung an das Glücksgefühl, die Mauer endlich auf friedliche Weise überwunden zu haben“.

Die jüngsten Abrissarbeiten sind nicht der erste und möglicherweise auch nicht der letzte Schnitt durch die East Side Gallery als das längste noch erhaltene Stück Berliner Mauer. Bereits für die Konzerthalle der O2-World wurden Segmente abgetragen, weitere Durchbrüche sind demnächst für ein anderes Gebäude mit Wohnungen in gehobener Preislage an der Spree vorgesehen.