Das Kunstmuseum Stuttgart widmet sich dem Essen in der Kunst. Zu sehen sind Werke von den 60er Jahren bis heute.

Kultur: Adrienne Braun (adr)
Stuttgart - Michel Blazy macht es sich einfach. Er lässt für sich arbeiten. Am Tage bestreicht der französische Künstler Leinwände mit Schokolade oder Vanillecreme, Eierpampe und Trockenmilchschmiere. In der Nacht machen sich die Mäuse in seinem Atelier darüber her. Wer glaubt, Mäuse fräßen sich wahllos durch, der irrt. Kunstvolle malerische Effekte entstehen auf den Flächen, nicht von Künstlers Hand geschaffen, sondern von Mäusezähnchen geknabbert.

Es sind kuriose Dinge, die man im Kunstmuseum Stuttgart entdecken kann. "Eat Art. Vom Essen in der Kunst" nennt sich die Ausstellung, mit der die Direktorin Ulrike Groos nun ihren Einstand gibt - und beweist, dass Kunst lebensnah sein kann, ohne populistisch zu geraten. Mehr als hundert Arbeiten von den sechziger Jahren bis in die Gegenwart kreisen um das Thema Essen - wobei einem manches den Appetit verderben könnte. Arpad Dobriban hat geräuchertes Schweinefett aufgehängt - bei Führungen darf man Stücke probieren, die hoffentlich besser schmecken, als sie ausschauen.

Kunst ohne Ewigkeitsanspruch


Künstler befassen sich gern mit dem Thema Essen. Vergängliche Werkstoffe aus dem Küchenschrank sind heute so selbstverständlich wie Gips und Ölfarbe. Ulrike Groos kehrt deshalb zu den kunsthistorischen Wurzeln der Eat Art zurück. Die Ausstellung beginnt in den Sechzigern, als der Kunstmarkt fett und saturiert um sich selbst kreiste - und die Künstler dem System ein Schnippchen schlagen wollten mit Kunst ohne Ewigkeitsanspruch. Aus alltäglichen Materialien produzierten sie Werke, die schimmelten, moderten, gammelten und in den Vitrinen vor sich hinfaulten.

Mit einer launigen Sentenz, auf Geschirrtuch gestickt, begrüßt Daniel Spoerri nun die Besucher: "Wenn alle Künste untergehen, die edle Kochkunst bleibt bestehen". Spoerri gilt als Vater der Eat Art, er eröffnete 1968 in Düsseldorf ein Restaurant, in dem er selbst kuriose Kreationen kochte. Es muss hoch hergegangen sein - zum Beispiel beim "Diner cannibale", als Claude und François Lalanne Körperteile nachformten, essbare Finger in der Suppe schwammen und Füße auf Platten serviert wurden. Wohl bekomm's.