Erst wird das Ende der Ebola-Epidemie verkündet, dann tritt wieder ein neuer Fall auf. So geht das in Westafrika schon seit einigen Wochen. StZ-Korrespondent Johannes Dieterich erklärt, warum die tödliche Krankheit immer wieder auftritt.

Johannesburg - Das Ritual hat sich schon viele Male wiederholt. Tausende von Menschen tanzen in den Straßen der drei westafrikanischen Staaten Liberia, Sierra Leone oder Guinea, um wieder einmal das von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf erklärte Ende der Ebola-Epidemie zu feiern – da wird bereits von einem neuen Fall berichtet. Das letzte Mal vergingen zwischen der Entwarnung aus Genf und dem neuen Alarm in Sierra Leone Mitte dieses Monats nur wenige Stunden. Kurze Zeit später wurde Liberia von der WHO zum dritten Mal innerhalb von zehn Monaten für ebolafrei erklärt: Da tanzte schon keiner mehr in den Straßen.

 

Die Westafrikaner fragen sich, ob die Genfer Organisation nach ihrem Versagen zu Beginn der Epidemie schon wieder zu lax geworden ist. Und ob sie der Seuche, der mehr als 11 300 Menschen zum Opfer fielen, jemals Herr werden können. Die WHO will die Kritik nicht auf sich sitzen lassen. Sie erklärt einen Staat für ebolafrei, wenn über zwei Inkubations-Perioden hinweg, also 42 Tage lang, keine Neuansteckungen gemeldet wurden und versieht ihre Erklärungen inzwischen vorsichtshalber mit der Warnung, dass „weiterhin ein hohes Risiko für kleinere neue Ausbrüche“ bestünde. Die Maßnahmen zur Vorsorge, Erkennung und Isolierung von Kranken müssten deshalb unbedingt aufrecht erhalten werden.

Das Virus kann im Samen überleben

In Liberia war fast sechs Monate nach der ersten Entwarnung eine neue Ansteckung gemeldet worden. Aller Wahrscheinlichkeit wurde diese von einem ehemaligen Ebola-Kranken ausgelöst, der mehr als ein halbes Jahr nach seiner Krankheit wieder ohne Kondom mit seiner Frau geschlafen hatte. Bisher gingen Experten davon aus, dass die Viren bis zu drei Monate lang im Samen eines Mannes „überwintern“ können – jetzt muss man von einem ganzen Jahr ausgehen. „Wir wissen noch immer viel zu wenig über den Erreger“, sagt Carissa Guild, die in Liberia im Auftrag der „Ärzte ohne Grenzen“ Ebola-Kranke pflegte.

Völlig überrascht waren Fachleute auch vom Fall einer schottischen Krankenschwester, die von einer Ebola-Erkrankung geheilt worden war, mehrere Monate später jedoch mit einem Rückfall in die Klinik eingeliefert wurde. Außer im Samen, das weiß man inzwischen, kann das Virus auch monatelang im Auge überleben. Schließlich wird spekuliert, dass die zweite Rückkehr der Epidemie in Liberia von einer Frau ausgelöst wurde, die den Virus zwar irgendwo in sich trug, aber erst erkrankte, als eine Schwangerschaft ihr Immunsystem schwächte.

Die jüngsten Fälle sind keine gute Nachrichten für die rund 17 000 Überlebenden einer Ebola-Erkrankung. Sie haben ohnehin mit Nachwirkungen ihrer Infektion zu leben: Viele leiden unter schweren Kopfwehanfällen und Gliederschmerzen, manche verlieren ihre Sehkraft. Hinzu kommt, dass sie oft wie Aussätzige behandelt und aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Spricht sich herum, dass sie das Virus tatsächlich noch über Monate, womöglich sogar Jahre, mit sich herumtragen können, wird das Stigma, mit dem sie leben müssen, nur noch weiter verschlimmert.

Feldversuch zu einem neuen Impfstoff

Die wichtigste Lektion, die man aus der bislang größten Ebola-Epidemie ziehen könne, sei das Wissen, dass der nächste Ausbruch nur eine Frage der Zeit sei, meint einer der Entdecker des Virus’, der belgische Epidemiologe Pierre Piot. Das sei zumindest solange der Fall, bis die Menschheit die nötigen Mittel gefunden habe, dem Virus wirklich zu Leibe zu rücken. Denn die Ausbeute der zunächst hektischen Suche nach Medikamenten war bislang überraschend gering. Die meisten der Pillen, mit denen während des Höhepunkts der Seuche experimentiert wurde, haben sich inzwischen als wirkungslos herausgestellt.

Weil das Virus die Erste Welt mittlerweile nicht mehr bedroht, haben auch die Anstrengungen der Pharmaunternehmen nachgelassen. Einen lukrativen Markt stellen die drei bettelarmen westafrikanischen Staaten nicht dar. Bleibt vorerst nur die Hoffnung auf einen Impfstoff mit dem sperrigen Namen VSV-EBOV. Der hatte sich bereits in Guinea bewährt und soll jetzt in Sierra Leone in einem großen Feldversuch ausprobiert werden. Der Erfolg dieses Versuchs wird allerdings von dem Umstand in Frage gestellt, dass es inzwischen nicht mehr genug Ebola-Fälle gibt, um seine Wirksamkeit dokumentieren zu können.