Region: Verena Mayer (ena)

Als vor 13 Jahren Ottos jüngster Sohn Alexander die ECE-Geschäftsführung übernimmt, gründet der Harvard-Absolvent die Stiftung Lebendige Stadt. In deren Gremien sitzen bedeutende Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die sich um den öffentlichen Raum verdient machen. Mit dem Geld der Stiftung wird etwa die Illumination des Kölner Rheinpanoramas finanziert. Auch wegen solcher möglicher Dreingaben freuen sich viele Bürgermeister, wenn sich die Vollprofis der mächtigen ECE für ihre Stadt interessieren.

 

Werner Spec zum Beispiel. Der Ludwigsburger OB will mit der ECE den südlichen Teil seiner Innenstadt retten. Dort gammelt seit Jahren das Marstall-Center vor sich hin, das nur deshalb nicht geschleift werden kann, weil sich in dem Gebäude auch rund 200 Eigentumswohnungen befinden. Seit der 40 Jahre alte Koloss verkommt, ist auch dessen Umgebung zunehmend heruntergekommen. Das Angebot der benachbarten Läden wurde immer armseliger, das Publikum immer bierseliger. Doch nun besteht die Chance, dass die ECE das marode Center im Zentrum übernimmt.

An dem Tag, als diese Nachricht bekannt wurde, jubelten sogar die Ludwigsburger Einzelhändler, was ja nicht immer so ist, wenn starke Konkurrenz in die Stadt kommt. Der Branchenprimus als Retter des Marstallviertels – etwas Besseres konnte sich niemand vorstellen. Sogar von einem Wunder war die Rede. Und plötzlich scheint auch möglich, was immer undenkbar war: Die ECE darf möglicherweise das Breuningerland auf der einst grünen Wiese in Ludwigsburg erweitern. Vor vier Jahren lehnte der Oberbürgermeister jeglichen Ausbau rigoros ab, zum Schutz seiner City. Nun jedoch ist Werner Spec offen, über ein Wachstum von 4000 bis 5000 Quadratmetern zu diskutieren. Das ist in Ludwigsburg eine Win-Win-Situation.

Die Situation in Sindelfingen hat sich seit der Baugenehmigung durch den Gemeinderat nicht gerade zum Besseren entwickelt. Das Regierungspräsidium hat die Erlaubnis für rechtswidrig erklärt, die Stadt musste sie zurücknehmen. Das Projekt verstößt gegen den Regionalplan. Wollen Breuninger und die ECE wachsen, müssen sie nun gegen ihre Unterstützerin klagen – die Stadt. Auch in Ludwigsburg könnte es politische Probleme geben. Der Verband Region Stuttgart hat mehrfach erklärt, dass es keinen Ausbau von Einkaufszentren auf der grünen Wiese mehr geben werde. Und die Nachbarn in Bietigheim-Bissingen kündigten bereits an, ein noch größeres Breuningerland notfalls vor Gericht zu verhindern. Schon jetzt habe das Center vor der Stadt negative Auswirkungen auf die Läden in der Stadt.

Im Obergeschoss des begrünten Hauses an der Autobahn sitzt Gunter Scherzberg. Er scheint entspannt. „Konkurrenz belebt das Geschäft“, sagt der Regional Director Southwest. Die Hamburger ECE hat eigenen Angaben zufolge bis jetzt nur erfolgreiche Projekte vorzuweisen.

Für Gunter Scherzberg liegt die Antwort in einer alten Kaufmannsfloskel: „Handel ist Wandel“, sagt er und führt ein Schuhgeschäft in seinem Center als Beispiel an. Dieses verfügt seit Neuestem über eine Umkleidekabine. „Wozu braucht ein Schuhgeschäft eine Kabine?“, fragt Scherzberg mit gespieltem Erstaunen. Natürlich kennt er die Antwort: Damit die Kunden die Garderobe, für die sie die passenden Schuhe suchen, mitbringen und alles zusammen anprobieren können. Das bedeutet, der Schuhladen braucht mehr Platz. Und wenn es nicht der Schuhladen ist, dann ist es die Boutique, der Lebensmittelverkäufer oder sonst ein Geschäft – von denen es ohnehin einige gibt, die Scherzberg gerne als Mieter hätte, denen er aber keinen Platz bieten kann. Zum Beispiel fehlt im Sindelfinger Breuningerland zurzeit ein Drogeriemarkt.


ECE-Einkaufszentren in Baden-Württemberg auf einer größeren Karte anzeigen

Der Oberbürgermeister Bernd Vöhringer und sein Gemeinderat haben Verständnis für das Einkaufszentrum, das 1500 Arbeitsplätze bietet und weitere 500 schaffen würde. Deshalb hat die Stadt die Erlaubnis für die 20 Millionen Euro teure Erweiterung gerne erteilt. Die Pläne für eine Fusion mit Böblingen liegen seither auf Eis. Der Kampf um die Fläche ist hart. Und die Konkurrenz groß. „Wir müssen mithalten“, sagt Gunter Scherzberg.

Die ECE aus Hamburg ist die Nummer eins, wenn es um den Bau und den Betrieb von Shoppingcentern geht. Besser bekannt als die drei Konzern-Buchstaben dürften die Hüllen sein, hinter denen sich die Einkaufscenter-Entwicklungsgesellschaft verbirgt. Sie tragen klangvolle Namen wie Stadtgalerie (Heilbronn), Ettlinger Tor (Karlsruhe) oder Leo-Center (Leonberg)  –um nur ein paar Häuser in Baden-Württemberg zu nennen. Außerdem versucht die ECE die Königsbau-Passagen in Stuttgart wiederzubeleben, die sie 2008 von der glücklosen Allianz übernommen hat. Insgesamt betreiben die Hamburger 185 Center in 16 Ländern. Das ergibt eine Verkaufsfläche von sechs Millionen Quadratmetern, vier Millionen Besucher pro Tag und einen Umsatz von 19 Milliarden Euro pro Jahr.

Best Future Mega Projekt

Gunter Scherzberg ist für 14 Zentren im Südwesten zuständig. Seine korrekte Funktion lautet Regional Director Southwest. Als solcher arbeitet er intensiv daran, dass weitere Häuser hinzukommen. Momentan hat er vier Neubauprojekte auf seiner Liste. Eines davon wird das größte Einkaufszentrum in der Region werden: das Milaneo.

Die Baustelle auf dem A 1-Gelände hinter dem Stuttgarter Hauptbahnhof vermittelt eine Ahnung von der Dimension des Vorhabens, das als Best Future Mega Projekt geadelt werden könnte. In dieser Kategorie wurde das Milaneo für die Endausscheidung des Mipim Awards nominiert, einer internationalen Auszeichnung für technisch und architektonisch herausragende Vorhaben. Das potenzielle Best Future Mega Projekt besteht aus drei Gebäudekomplexen mit Platz für Wohnungen, Büros, Hotelbetten und – 200 Geschäften mit einer Verkaufsfläche von 43 500 Quadratmetern. „Das Milaneo wird ein Magnet der erweiterten Innenstadt sein“, pries Stuttgarts einstiger Oberbürgermeister Wolfgang Schuster den 550-Millionen-Euro-Giganten, für dessen Ansiedlung er sich stark gemacht hatte, bei der Grundsteinlegung im September.

Die Frage wird sein: Wen zieht dieser Magnet an, wenn er in zwei Jahren in Betrieb geht? Kunden aus der Region, aus dem ganzen Land sogar – oder aus anderen Teilen der Stuttgarter Innenstadt?

Es gibt Zahlen, die die Stuttgarter Einzelhändler sorglos stimmen könnten. Die Industrie- und Handelskammer hat ausgerechnet, dass der Innenstadt ein bisschen zusätzliche Anziehungskraft nicht schlecht täte. Das schließen sie aus der sogenannten Zentralitätskennziffer, die aktuell bei 123,3 liegt. Das bedeutet, dass der Umsatz des lokalen Handels rund ein Viertel über dem liegt, was aufgrund der Einkommenverhältnisse der Stuttgarter zu erwarten wäre. Das könnte mehr sein: Im vergleichbaren Nürnberg beträgt die Ziffer 133,6, im deutlich kleineren Sindelfingen 145,6. Das sagen die Zahlen einerseits. Doch es gibt auch andere. Wenn im Jahr 2016 alle neuen Einkaufsparadiese eröffnet sind, verfügt Stuttgart über eine Verkaufsfläche von einer Million Quadratmeter, das sind 160 000 mehr als anno 2000 und entspricht fast vier Milaneos. Dass sich die Umsätze entsprechend vervielfältigen, erwarten die Experten nicht. Schließlich kann man jeden Euro nur einmal ausgeben.

Die Innenstadthändler sind skeptisch

Monika Walther nährt die Skepsis der Stuttgarter Händler. Die Ökonomin hat die Auswirkungen innerstädtischer Shopping-Center erforscht. Eines ihrer Ergebnisse prognostiziert für gewachsene Geschäftslagen immer dann die größten Verluste, wenn das typische Innenstadtangebot nahezu vollständig im Center erhältlich ist. Als ein Beispiel führt Walther Augsburg an, wo 2001 am Rand der Innenstadt die City-Galerie eröffnete. Das Angebot an Bekleidung, Büchern, Geschenk- oder Sportartikeln und anderen typischen City-Sortimenten reduzierte sich in den bisherigen 1-a-Lagen deutlich zu Gunsten der Galerie, die von der ECE betrieben wird.

Die Mieter, die die ECE – Stand Dezember – für das Milaneo verpflichtet hat, sind schon in der Stuttgarter Königstraße präsent. Mit Ausnahme des Apple-Stores. Den gibt es im Land bis jetzt nur ein einziges Mal: im Sindelfinger Breuningerland.

Werner Otto ist bereits ein erfolgreicher Versand-Unternehmer, als er ein erfolgreicher Center-Unternehmer wird. 1969 eröffnet der Hamburger das Franken-Zentrum in Nürnberg. Es ist das erste Shoppingcenter der ECE, die das amerikanische Shopping-Konzept nach Deutschland transferiert. Werner Otto ist fasziniert von der kundenfreundlichen Vielfalt der Läden und den wetterunabhängigen Einkaufsmöglichkeiten, seit er Mitte der 60er Jahre erstmals in einer Mall stand. Er macht Einkaufen in Deutschland zum Erlebnis – und seine Firma zur Nummer eins. Die ECE beschäftigt heute mehr als 3000 Immobilienspezialisten, darunter mehr als 400 Architekten und Bauingenieure. Der Konzern hat das Berufsbild des Centermanagers in Deutschland geprägt und unterhält eine eigene Akademie für deren Ausbildung.

Die ECE als Retter

Als vor 13 Jahren Ottos jüngster Sohn Alexander die ECE-Geschäftsführung übernimmt, gründet der Harvard-Absolvent die Stiftung Lebendige Stadt. In deren Gremien sitzen bedeutende Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die sich um den öffentlichen Raum verdient machen. Mit dem Geld der Stiftung wird etwa die Illumination des Kölner Rheinpanoramas finanziert. Auch wegen solcher möglicher Dreingaben freuen sich viele Bürgermeister, wenn sich die Vollprofis der mächtigen ECE für ihre Stadt interessieren.

Werner Spec zum Beispiel. Der Ludwigsburger OB will mit der ECE den südlichen Teil seiner Innenstadt retten. Dort gammelt seit Jahren das Marstall-Center vor sich hin, das nur deshalb nicht geschleift werden kann, weil sich in dem Gebäude auch rund 200 Eigentumswohnungen befinden. Seit der 40 Jahre alte Koloss verkommt, ist auch dessen Umgebung zunehmend heruntergekommen. Das Angebot der benachbarten Läden wurde immer armseliger, das Publikum immer bierseliger. Doch nun besteht die Chance, dass die ECE das marode Center im Zentrum übernimmt.

An dem Tag, als diese Nachricht bekannt wurde, jubelten sogar die Ludwigsburger Einzelhändler, was ja nicht immer so ist, wenn starke Konkurrenz in die Stadt kommt. Der Branchenprimus als Retter des Marstallviertels – etwas Besseres konnte sich niemand vorstellen. Sogar von einem Wunder war die Rede. Und plötzlich scheint auch möglich, was immer undenkbar war: Die ECE darf möglicherweise das Breuningerland auf der einst grünen Wiese in Ludwigsburg erweitern. Vor vier Jahren lehnte der Oberbürgermeister jeglichen Ausbau rigoros ab, zum Schutz seiner City. Nun jedoch ist Werner Spec offen, über ein Wachstum von 4000 bis 5000 Quadratmetern zu diskutieren. Das ist in Ludwigsburg eine Win-Win-Situation.

Die Situation in Sindelfingen hat sich seit der Baugenehmigung durch den Gemeinderat nicht gerade zum Besseren entwickelt. Das Regierungspräsidium hat die Erlaubnis für rechtswidrig erklärt, die Stadt musste sie zurücknehmen. Das Projekt verstößt gegen den Regionalplan. Wollen Breuninger und die ECE wachsen, müssen sie nun gegen ihre Unterstützerin klagen – die Stadt. Auch in Ludwigsburg könnte es politische Probleme geben. Der Verband Region Stuttgart hat mehrfach erklärt, dass es keinen Ausbau von Einkaufszentren auf der grünen Wiese mehr geben werde. Und die Nachbarn in Bietigheim-Bissingen kündigten bereits an, ein noch größeres Breuningerland notfalls vor Gericht zu verhindern. Schon jetzt habe das Center vor der Stadt negative Auswirkungen auf die Läden in der Stadt.

Im Obergeschoss des begrünten Hauses an der Autobahn sitzt Gunter Scherzberg. Er scheint entspannt. „Konkurrenz belebt das Geschäft“, sagt der Regional Director Southwest. Die Hamburger ECE hat eigenen Angaben zufolge bis jetzt nur erfolgreiche Projekte vorzuweisen.

Man könnte meinen: die Konkurrenz belebt vor allem die Geschäfte der ECE.