Wieviel Humor verträgt die Kirche? Der Kabarettist Eckart von Hirschhausen fände es schon mal hilfreich, wenn die, die Erlösung predigen, etwas gelöster dreinschauen würden.

Politik/Baden-Württemberg: Rainer Pörtner (pö)

Stuttgart - Der gelernte Mediziner Eckart von Hirschhausen, geboren 1967, ist Komiker, Autor und Moderator. Beim Evangelischen Kirchentag in Stuttgart ist er gleich mehrfach zu erleben: Er tritt am Freitag beim „Abendsegen“ in der Stadtkirche Bad Cannstatt auf, macht am Samstag eine Bibelarbeit und ist am „Mut-Mach-Abend“ in der Schleyer-Halle beteiligt.

 
Herr Hirschhausen, Ihr aktuelles Programm heißt „Wunderheiler“. Nun leiden die christlichen Kirchen unter starkem Mitgliederschwund. Können Sie heilend eingreifen?
Tatsächlich geht es in „Wunderheiler“ auch um „Glaubensfragen“ – den Streit zwischen Schul- und Alternativmedizin. Meiner Meinung nach geht man heute mit vielen Fragen, für die früher der Pfarrer zuständig war, eher zum Coach oder Schamanen. Alternative Ernährungsformen und Medizin sind für manche eine Ersatzreligion geworden, und im Gegenzug hat die Medizin ihre spirituelle Wurzel verraten. „Charité“ kommt nicht von Shareholder Value, sondern von Caritas, der Nächstenliebe. Daher werde ich beim Kirchentag mit dem Bischof darüber diskutieren, in wie weit man auch das Thema Krankheit und Heilung wieder stärker in den Gottesdienst integrieren kann, ohne unseriöse Versprechen oder neue Abhängigkeiten zu schaffen.
Gehen Sie selbst regelmäßig in die Kirche?
Wenn man wie ich so viel unterwegs ist, gibt es in der Regel keine Regelmäßigkeit. Aber ich versuche täglich einen Moment der Besinnung hinzubekommen und vor großen Aufgaben um Unterstützung und die richtigen Worte zu bitten. Aber es wäre gelogen zu sagen, dass ich das immer hinbekäme. Klar wendet man sich eher in Notsituationen an „den Himmel“ als wenn man im siebten Himmel ist. Dazu ein Witz: Ein Pfarrer und ein Busfahrer stehen vor der Himmelstür. Der Busfahrer darf rein, der Pfarrer beschwert sich. Petrus erklärt: Wenn du gepredigt hast, haben alle geschlafen. Aber wenn er Bus gefahren ist, haben alle gebetet!
Würden Sie sich selbst als tief religiösen Menschen bezeichnen?
Ich würde mich als gläubigen Menschen bezeichnen, wobei es schwer zu sagen ist, woran ich genau glaube. Ich glaube, dass Kirchen eine sinnvolle und sinnstiftende Einrichtung in unserer Gesellschaft sind, weil es wenig Orte gibt, wo andere Werte gelten als die des „Marktes“, wo sich Menschen unterschiedlichster Lebenswelten für Solidarität, Gerechtigkeit und Frieden einsetzen. Klar haben alle Institutionen ihre Macken und Machtthemen, aber zum Glück bin ich ja nicht katholisch! (lacht) Immer weniger Deutsche glauben an Gott. Ich hoffe, es beruht nicht auf Gegenseitigkeit.
Sie sind heute hauptberuflich Kabarettist: Wie viel Humor verträgt der Glaube?
Wenn man die Bibel genau liest, findet man sehr viel Humor – versteckt, aber spürbar. Genau das möchte ich auch bei meinen Bibelarbeiten verdeutlichen: Jemandem zu sagen „Steh auf und geh, dein Glaube hat dir geholfen“ ist doch eine ungemeine Provokation und Perspektivenumkehr. Ein Wunder! Punkt! Statt dort zu popeln, wo ein „wunder Punkt“ sein könnte. Uns in unserer Selbstheilungskraft ernster zu nehmen als unser Gejammer oder unsere Opferrolle, finde ich stark und komisch zugleich. Jeder Psychoanalytiker hätte gesagt: Leg dich hin und erzähl mir von verpassten Chancen in Deiner Kindheit. Ich habe mal ein Seminar gegeben für „Humor in der Predigt“, dabei geht es nicht darum, aus Pfarrern Komiker zu machen, aber man kann Anekdoten oder verbale Bilder in der Predigt nutzen, die so einleuchtend sind, dass sie hängenbleiben und weitererzählt werden.
Und wie viel Humor verträgt die Amtskirche?
Meiner Meinung nach noch viel mehr! Es wäre aber schon hilfreich, dass die, die die Erlösung predigen, etwas erlöster gucken! Die Angst, durch Humor zum Beispiel von der Gemeinde nicht ernst genommen zu werden, ist ein sehr deutsches Missverständnis. Humor ist nichts Oberflächliches, sondern das tiefe Bejahen der unfassbaren absurden Situation, in der wir uns auf Erden befinden: Wir kommen aus Staub, wir werden zu Staub, darum meinen die meisten, es müsse darum gehen, viel Staub aufzuwirbeln...
Am Freitag setzen Sie sich in Stuttgart für das Projekt „Deutschland rundet auf“ an eine Kasse im Kaufland. Das Projekt sammelt Geld für Kinder in Deutschland, die von Armut betroffen sind. Warum?
„Wenn jeder gibt, was er hat, dann werden alle satt“ – ein etwas naives Lied, das aber ja stimmt. Wir leben in einem der reichsten Länder der Welt und lassen es zu, dass wir 20 Prozent der Menschen von Teilhabe an Bildung und Gesundheit ausschließen. Das ist für unsere Gesellschaft ein echtes Armutszeugnis. Daher finde ich alle Projekte wichtig, die evaluiert frühe Hilfen bieten: Familienhebammen, die Eltern-AG, Stiftung Lesen, Klasse 2000 und im Rahmen meiner eigenen Stiftung HUMOR HILFT HEILEN auch das Schulmaterial „Gemeinsam leben lernen“. Gesundheit folgt der Bildung und der Integration, das ist nicht neu, aber immer wichtiger. Und da ist die Idee von „Deutschland rundet auf“ revolutionär: jeder kann an der Kasse „Aufrunden bitte“ sagen und damit ein paar Cent spenden- genau gesagt maximal 9. Und wenn das viele machen, kommt unglaublich viel zusammen. Jeder Cent, den wir in die Zukunft von Kindern stecken, kommt 25fach für uns als Gesellschaft zurück. So eine „Rendite“ gibt es nur im sozialen Sektor!