Im Prozess wegen Kinderpornografie gesteht der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy die Anklagevorwürfe. Das Gericht stellt daraufhin das Verfahren gegen Geldauflage ein. Danach sorgt eine Erklärung von Edathy auf Facebook für Verwunderung.
Verden - Nach einer halben Stunde ist alles vorbei. Sebastian Edathy verlässt den Gerichtssaal des Landgerichts Verden gegen 10.30 Uhr. Der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete hat zuvor über seinen Verteidiger zugegeben, mit seinem Dienstlaptop Videos und Bilder von nackten Jungen aus dem Internet heruntergeladen zu haben. Der 45-Jährige hat auch zugegeben, einen Bildband und CDs mit derartigem Inhalt besessen zu haben.
Trotzdem hat für den früheren SPD-Bundestagsabgeordneten weiterhin die Unschuldsvermutung zu gelten, weil das Verfahren wegen des Besitzes von Kinderpornografie an diesem Tag ohne Schuldspruch endet. Es wird eingestellt, sobald Edathy 5000 Euro an den niedersächsischen Landesverband des Deutschen Kinderschutzbundes gezahlt hat.
Es ist das Ergebnis eines Deals: Geständnis gegen Einstellung. So hatte es Oberstaatsanwalt Thomas Klinge vor einer Woche gefordert. Und so ist es nun geschehen. „Die Vorwürfe treffen zu“, trägt Verteidiger Christian Noll zu Beginn des zweiten Verhandlungstages im Namen von Edathy vor der zweiten großen Strafkammer vor. Noll verliest Edathys Geständnis. Es ist in Ich-Form verfasst. Edathy habe das vorgeworfene Material „in Besitz gehabt“, sagt er. Auch der in der Anklageschrift benannte Bildband und die CDs „sind mir zuzuordnen“, sagt er.
Er gesteht auch, an sechs Tagen zwischen dem 1. und 10. November 2013 mit seinem Dienstlaptop Videos heruntergeladen zu haben, die die Staatsanwaltschaft als kinderpornografisch einstuft. „Ich habe sie runtergeladen“, sagt Noll in Edathys Namen. Dann folgen Sätze, die nach Reue klingen. „Ich habe inzwischen eingesehen, dass ich einen Fehler begangen habe.“ Er habe dazu lange gebraucht. Nun sagt er: „Ich bereue, was ich getan habe.“
Der Richter nennt die Dinge deutlich beim Namen
Richter Jürger Seifert spricht Edathy direkt an. Seifert nennt die Dinge, anders als Edathys Anwalt, deutlich beim Namen. Edathy räume also ein, so Seifert, dass er Material wie „Boys in ihrer Freizeit“ und CDs mit zum Teil jugendpornografischen Inhalts besessen hat. Er räume also auch ein, dass ihm der Inhalt der Bilder und Videos bekannt gewesen sind, die „tatsächlich von Ihnen auf Ihrem Laptop geöffnet worden sind“, sagt Seifert. „Ist das so zutreffend?“, fragt der Richter. „Ich bestätige, dass Herr Noll soeben eine mit mir abgestimmte Erklärung abgegeben hat“, sagt Edathy.
Der Teufel steckt im Detail. Genau genommen hat Edathy damit Seifert nicht ausdrücklich zugestimmt. Es war ein erster Hinweis auf das, was wenig später draußen vor dem Saal passieren wird. Oberstaatsanwalt Klinge stimmt der Einstellung nach Paragraf 153a Strafprozessordnung zu. Er sagt, er sei ihm nicht darum gegangen, Edathy zu einem Geständnis oder zur Reue zwingen zu wollen. Er habe lediglich hören wollen, dass die angeklagten Tatsachen zutreffend sind. Es sei ihm „nicht etwa darum gegangen, nachzutreten“, sagt Klinge.
Der Richter fragt Edathy, ob er die Dinge, die noch beim Landeskriminalamt und der Staatsanwaltschaft liegen, zurückhaben möchte. Edathy sagt, seine Musik-CDs und seine Playstation hätte er gerne wieder. Und seine Familienbibel. Ob er denn auch seine zwei Hefte wiederhaben wolle: „Adam junior“ und „Buben in Freiheit dressiert“, fragt Klinge. Noll geht dazwischen: „Auf die Herausgabe verzichten wir selbstverständlich.“
„Herr Edathy hat eine zweite Chance verdient“
Klinge wird hinterher zugeben, dass Edathys Erwähnung der Familienbibel ihn dazu gebracht habe, ihn in aller Öffentlichkeit mit den Titeln dieser Hefte zu konfrontieren. Die Hefte sind nicht Teil der Anklage geworden, weil ihre strafrechtliche Relevanz nicht eindeutig geklärt worden sei. Nach einer kurzen Pause verkündet Richter Seifert die Einstellung des Verfahrens. Er sagt: Die Kammer habe einer Einstellung zugestimmt, da Edathy gestanden hat, nicht vorbestraft war und es um eine „recht geringe Anzahl von Bildern“ gegangen sei, die innerhalb eines kurzen Zeitraumes heruntergeladen wurden. Seifert betont auch, dass die Kammer ebenso berücksichtigt habe, „dass das Verfahren an sich schon als erhebliche Sanktion auf den Angeklagten eingewirkt hat“.
Und er findet deutliche Worte für die Opfer. Hinter kinder- und jugendpornografischen Materialien stehe der schwere Missbrauch von Kindern, sagt der Richter. „Jedoch hat jeder Mensch, auch Herr Edathy, eine zweite Chance verdient.“ Seifert sagt: „Die Kammer hat die Hoffnung, dass Herrn Edathy bewusst geworden ist, dass das Anschauen derartigen Materials eine Straftat ist.“ Seifert endet mit dem Satz: „In diesem Sinne, wünsche ich Herrn Edathy alles Gute und hoffe, dass immer weniger Kinder Missbrauchsopfer werden.“
Eine Stunde später postet Edathy auf Facebook: „Ich weise daraufhin, dass ein ,Geständnis’ ausweislich meiner heutigen Erklärung nicht vorliegt.“ Geständnis ist in Anführungszeichen gesetzt. Kurz zuvor hatte sein Anwalt schon vor dem Gerichtssaal mit einer Erklärung für Verwunderung gesorgt.
„Herr Edathy hat nicht eingeräumt, jugend- oder kinderpornografische Schriften besessen zu haben“, sagte Noll. Dass das Material kinder- oder jugendpornografisch ist, sei lediglich „eine Bewertung der Staatsanwaltschaft“. Was aber hat Sebastian Edathy dann bereut? „Er weiß natürlich, dass Bestellungen und Besitztümer in diesem Bereich moralisch nicht in Ordnung sind“, sagt sein Anwalt. „Eine Schuldfeststellung hat das Gericht ausdrücklich nicht getroffen.“