Der große Einbruch des Silbers erfolgte Mitte April praktisch zeitgleich mit der Talfahrt des Goldpreises, der binnen wenigen Tagen um 200 Dollar abstürzte. Prozentual erlitten beide Edelmetalle den stärksten Kursverfall seit 30 Jahren.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Stuttgart - Eine der jüngsten deutschen Silbermünzen zeigt die Märchenfigur Schneewittchen, wie sie den berüchtigten Apfel von ihrer bösen Stiefmutter entgegennimmt. Wer das Geldstück zum Ausgabetermin Ende März für 18,38 Euro erworben hat, dem mag es im Nachhinein ebenfalls vergiftet erscheinen: Seither ist der Silberpreis um mehr als 20 Prozent gefallen. Die Feinunze (31,1 Gramm) kostet derzeit rund 22 Dollar (17 Euro), das ist der niedrigste Preis seit Herbst 2010.

 

Der große Einbruch erfolgte Mitte April praktisch zeitgleich mit der Talfahrt des Goldpreises, der binnen wenigen Tagen um 200 Dollar abstürzte. Prozentual erlitten beide Edelmetalle den stärksten Kursverfall seit 30 Jahren. Da das billigere Silber traditionell vom großen Bruder Gold überstrahlt wird, fand sein Schicksal zunächst kaum Beachtung.

Angst vor Inflation hat an Bedeutung verloren

Viele Gründe, die seither für den Einbruch des Goldpreises ausgemacht wurden, dürften aber auch für Silber gelten: Eines der zentralen Motive für den Kauf von Edelmetallen, die Angst vor Inflation, hat in den vergangenen Monaten an Bedeutung verloren. Denn die Teuerungsrate ist sowohl in den USA als auch in Europa rückläufig. Vor diesem Hintergrund trennten sich Großinvestoren von einem Teil ihrer Goldbestände. Bekanntestes Beispiel ist der US-Milliardär George Soros: Im Februar wurde durch den Quartalsbericht seiner Fondsgesellschaft an die US-Börsenaufsicht bekannt, dass Soros schon Ende 2012 mehr als die Hälfte seiner Anteile am weltgrößten Goldfonds SPDR verkauft hatte.

Mehrere Großbanken senkten daraufhin ihre Prognosen für den Goldpreis, auch unter Verweis auf die Erholung des US-Arbeitsmarkts. Wenn sich die Konjunktur weiter bessere, könnte die amerikanische Notenbank Federal Reserve ihre Geldspritzen auslaufen lassen und damit der Furcht vor Inflation endgültig den Boden entziehen, argumentierten beispielsweise die Experten des französischen Geldhauses Société Générale.

Am vergangenen Freitag gab die US-Terminbörse CFTC bekannt, dass Finanzinvestoren ihre Wetten auf steigende Gold- und Silberpreise weiter zurückgefahren haben. Zudem sanken die Bestände des Silberfonds I-Shares Silver Trust auf den niedrigsten Stand seit Januar.

Silber ist ein Zwittermetall

Diese Nachrichten sind wohl der Hauptgrund dafür, dass sich die Talfahrt der beiden Edelmetalle zu Wochenbeginn wieder beschleunigt hat. Der Abwärtstrend bei Silber ist allerdings noch ausgeprägter als bei Gold: Während das gelbe Edelmetall seit Jahresbeginn rund 17 Prozent an Wert verloren hat, verbilligte sich der bleiche Bruder Silber um 25 Prozent.

Das Metall sei „von zwei Seiten unter Druck geraten“, meint der Rohstoffexperte Daniel Briesemann von der Commerzbank. „Silber ist ein Zwittermetall.“ Anders als Gold sei es eben nicht nur als Wertanlage und für die Schmuckproduktion, sondern auch als Industriemetall gefragt. Silber kommt beispielsweise in Katalysatoren zum Einsatz und ist damit ein wichtiger Rohstoff für die Autoindustrie.

Experten erwarten, dass sich Konjunktur erholen wird

Die Folge: auch schwache Konjunkturdaten drücken den Silberpreis. Neben dem Abwärtssog durch die Entwicklung am Goldmarkt dürften in den vergangenen Monaten deshalb die Rezession in der Eurozone und die Verlangsamung des Wachstums in China, dem weltweit wichtigsten Verbraucher von Industriemetallen, den Kurs belastet haben.

Commerzbank-Analyst Briesemann sieht in der Konjunkturabhängigkeit von Silber aber eine Chance für die kommenden Monate. „Wir sind mittel- bis langfristig positiv gestimmt für Silber, weil wir erwarten, dass die Konjunktur sich erholen wird. Zum Jahresende sehen wir den Silberpreis bei 30 Dollar je Feinunze.“ Gemessen am aktuellen Kurs wäre das eine Steigerung um gut ein Drittel. Silber habe damit „mehr Potenzial als der Gold“, sagt Briesemann. Beim Goldpreis erwartet die Commerzbank eine Erholung um rund ein Viertel auf 1700 Dollar je Feinunze.

Kurzfristig allerdings hängt die Kursentwicklung beider Edelmetalle von US-Notenbankpräsident Ben Bernanke ab. Sollte er bei seinem Auftritt vor dem Kongress am heutigen Mittwoch eine Straffung der Geldpolitik signalisieren, dürften die Preise von Gold und Silber noch einmal einknicken, denn das Streben nach Inflationsschutz ginge dann weiter zurück.