Die Stadt Stuttgart will nicht auf ihren edlen Tropfen verzichten. Deshalb wird ihr Weingut nicht verkauft. Stattdessen hat man andere Pläne.  

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Beim Weingut der Stadt Stuttgart ist jahrelang und unter Anfertigung mehrerer kostspieliger Gutachten darüber gestritten worden, ob der defizitäre Betrieb verkauft oder zumindest verpachtet werden soll. Doch manchmal ist die Lösung so einfach, dass man sich wundern muss, warum nicht viel früher jemand auf sie gekommen ist.

 

Nun jedenfalls haben sich die Fraktionen im Gemeinderat darauf verständigt, von 2012 an eine feste Kooperation mit den Weingärtnern Bad Cannstatt einzugehen; die Eigenständigkeit des sehr kleinen, für das städtische Image aber wichtigen kommunalen Weinguts bleibt dabei gewahrt.

Die jetzige Lösung lag nahe, weil es schon lange enge Kontakte zu den Cannstatter Weingärtnern gegeben hat. Und die Keltern von Weingut und Genossenschaft liegen am Römerkastell in Bad Cannstatt Wand an Wand. Man muss nur noch eine Tür einbauen.

Ein Ziel ist die Steigerung der Qualität

Die Stadt Stuttgart verspricht sich von dieser Kooperation zweierlei. Erstens soll das Defizit, das jährlich zwischen 300.000 Euro und 450.000 Euro beträgt, um bis zu zwei Drittel gesenkt werden. Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) hatte lange für eine Verpachtung und damit für eine finanziell neutrale Lösung gekämpft; mit der jetzt vereinbarten Kooperation kann er aber leben: "Es sind nun große Schritte in der Entwicklung des Weinguts möglich", sagt er.

Neben dem weiterhin zu erwartenden Defizit gibt die Stadt jährlich 165.000 Euro für die schwierige Bewirtschaftung der Steillagen aus.

Zweites Ziel ist die Steigerung der Qualität der städtischen Weine durch die Kooperation. Bernhard Nanz, der Leiter des städtischen Weingutes, ist überzeugt davon, dass dies gelingt: "Thomas Zerweck von den Weingärtnern Bad Cannstatt ist einer der besten Kellermeister Württembergs. Wir können von ihm sehr profitieren."

Erst bei der Verarbeitung greift die Hilfe

Sein Anspruch ist, das gesamte Sortiment auf ein gutes Niveau zu heben - bisher hat das Weingut mit einzelnen Weinen geglänzt, bisweilen aber Schwächen in der Breite gezeigt. Zerweck stellt in Aussicht, dass vorerst alle Weine beider Weingüter im Sortiment bleiben. "Irgendwann werden wir aber schon darüber nachdenken müssen, ob wir beispielsweise so viele Trollinger-Varianten im Programm brauchen", sagt Zerweck.

Wie die Kooperation im Detail aussehen wird, wollen alle Beteiligten nach der Weinlese besprechen - die ersten reifen Trauben des Jahrgangs 2011 sind Traminer und werden heute direkt hinter der Kelter gelesen. Schon Ende Juni hatte der Unterausschuss Weingut im Gemeinderat aber grünes Licht für die Zusammenarbeit erteilt und einige grundsätzliche Punkte festgelegt.

So wird der Anbau und die Pflege der städtischen Weinberge weiterhin in der alleinigen Regie des Weinguts erfolgen. Bei der Verarbeitung - also bei der Traubenannahme, dem Weinausbau und der Abfüllung - greift von 2012 an die Hilfe der Weingärtner Bad Cannstatt.

Föll verspricht eine sozialverträgliche Lösung

Bernhard Nanz nennt ein Beispiel, wie diese Unterstützung aussehen wird. Für das kleine Weingut wäre es eine kaum zu stemmende Investition gewesen, eine ausreichende Kühlanlage für den Weißwein anzuschaffen - in der Kelter der Weingärtner können dagegen schon jetzt über 300.000 Liter während des Gärprozesses gekühlt werden.

Im Gegenzug erhalten die Weingärtner Bad Cannstatt einen bestimmten Betrag von der Stadt. Föll verspricht sich durch die steigende Qualität künftig höhere Erlöse; zudem würden die Kosten im Keller und in der Abfüllung sinken.

Dennoch werde das Weingut nicht darum herumkommen, Personal abzubauen, um die geplante Verringerung des Defizits zu schaffen. Föll spricht von maximal 2,5 Stellen bei derzeit zehn Mitarbeitern. "Ohne die Kooperation wären die Einschnitte noch schmerzhafter gewesen", so Föll. Er verspricht eine sozialverträgliche Lösung.

Kommt künftig auch ein gemeinsamer Vertrieb zu Stande?

Die Kooperation der beiden Weingüter im Keller könnte sogar nur der erste Schritt sein. In zwei bis drei Jahren sei auch ein gemeinsamer Vertrieb der Produkte durchaus vorstellbar, so der Finanzbürgermeister. Der früheren Idee eines Verkaufspavillons kann Föll einiges abgewinnen - allerdings müsste dieser dann an der Schauseite der Kelter, hin zu den Weinbergen und zum Neckartal, stehen.

Vorerst wird es aber dabei bleiben, dass die Verkaufsstelle des Weinguts in der Sulzerrainstraße in der Nähe des Kurparks Bad Cannstatt lediglich mit einfachen Mitteln schöner gestaltet wird.

Die Zusammenarbeit auf einen Blick

Städtisches Weingut Im Jahr 1949 ist das Weingut der Stadt Stuttgart gegründet worden. Heute werden rund elf Hektar Rotweinreben und sechs Hektar Weißweinreben bewirtschaftet. Zehn Mitarbeiter und drei Azubis bilden den Personalstamm. Das Weingut kümmert sich dabei auch um 4,6 Hektar an Steillagen und trägt so zum Erhalt dieser alten Weinberglagen bei, die das Stadtbild mit prägen. In diesem Jahr erhofft sich das Weingut einen Ertrag von 120.000 Litern. Stuttgart ist im Übrigen die einzige Großstadt in ganz Deutschland, die sich ein eigenes Weingut leistet.

Weingärtner Cannstatt Seit 1923 gibt es die Genossenschaft Bad Cannstatt. Im vorigen Jahr haben die Weingärtner Bad Cannstatt, wie sie sich offiziell nennen, mit der Weingärtnergenossenschaft Unteres Murrtal in Rielingshausen (Kreis Ludwigsburg) fusioniert. Seither gehören zu dieser Genossenschaft 90 Wengerter, die etwa 60 Hektar Rebfläche bewirtschaften. Eigene Mitarbeiter hat die Genossenschaft fünf. In einem normalen Jahr liegt der Ertrag bei 650.000 Litern.